"Notfalls bauen wir selbst Stroh an"

Der "Erbesbär" in Ützhausen ist los: Dorfjugend wahrt lange Tradition

So macht Tradition hochhalten Spaß - die Dorfjugend auf Ützhausen zog mit ihrem "Erbesbär" durchs Dorf und sammelte Speck, Eier, Geld und Flüssiger: Marcel Sciertrumpf (v. l.), "Zensi" Niklas Wahl, Simon Weber, "Erbesbär" Jan Allendorf, Bärentreiber Sebastian Schäfer und Florian Gräb.
Fotos: Nina Sauer

28.12.2016 / SCHLITZ - Der Bär ist los - sprichwörtlich - und das am sogenannten dritten Weihnachtsfeiertag. In Ützhausen, einem Stadtteil von Schlitz im Vogelsbergkreis, zieht jedes Jahr am 27. Dezember der "Erbesbär" durch die Straßen und Häuser des 200 Einwohner-Dörfchens. Seine Mission: Spenden sammeln, vor allem Geld sowie Eier, Speck und Flüssiges für die abendliche Feier. Mit Gesang, der "Teufelsgeige" und jeder Menge Getöse sind der Bär und sein Gefolge am Dienstag durch den Ort gelaufen. Zuvor haben die Dorfjungs - seit morgens 07:30 Uhr - in mühseliger Arbeit den 16-jährigen Jan Allendorf mit Haferstroh eingewickelt und so in den "Erbesbär" verwandelt. Früher wurde noch Erbsenstroh verwendet, daher der Name.


In der Regel trifft es den Jüngsten aus den Reihen der Ützhäusener Dorfjugend. Das funktioniert allerdings nicht immer. "Mangels Nachwuchs ist das mit dem Jüngsten nicht jedes Jahr möglich. Manchmal sind es auch ältere und einige müssen dann auch schon mal öfters ran", erklärt Benedikt Allendorf, der selbst schon dreimal den Bären gemacht hat. Fragt man nach der Tradition, dann ist nur eines gewiss - die Tradition wird hochgehalten und das ebenfalls in anderen Vogelsberger Dörfern wie Queck, Willofs oder Hutzdorf. "Bei uns gibts es aber den schönsten Bären, deshalb laufen wir auch immer am Trachtenfest mit", betonen die Jungs. Wo genau der Brauch jedoch herkommt, das ist nicht wirklich klar.

"Eigentlich gibt es vier Varianten, die hier im Dorf erzählt werden: Mit der Tradition soll einerseits der Winter vertrieben werden - in diesem Jahr dann eher eingetrieben werden. Andererseits wird berichtet, dass der Bär aus der Alemannischen Fastnacht stammen würde und böse Geister verjagen soll. Weiter gibt es da noch die Geschichte mit den Zigeunern, den Bärenteibern, die früher mit ihren Tanzbären durch die Dörfer gezogen sind und Speck und Eier gesammelt haben. Da dachte sich die Jugend, 'das können wir auch!' und bastelten sich ihren eigenen Bären aus Stroh. Die letzte Variante hat mit dem Herbsteiner Springerzug zutun. Tiroler Wandersleut haben die Tradition mit dem Springerzug mitgebracht und auch den Bären", berichten Benedikt Allendorf und der diesjährige Bärentreiber Sebastian Schäfer.

Die Tradition sei nach dem Krieg entstanden. 1962 wurde sie von Reinhard Ritz aus Ützhausen wieder ins Leben gerufen. Von ihm stammt auch das Stroh, das bereits 57 Jahre alt ist. "Wir nehmen Haferstroh und machen daraus ein Geflecht. Allerdings ist es schwierig, dieses lange Stroh zu bekommen. Die Landwirte heutzutage bauen anderes Stroh als damals an. Heute sind die Stängel kurz und die Ehre ist lang", erläutert Schäfer. "Notfalls bauen wir selbst Stroh an", fügt er lachend noch an.

Mittags ab 13:30 Uhr geht es dann los: Traditionell sind beim Umzug durchs Dorf keine Frauen anwesend, erst abends auf der Feier. Allerdings verkleidet sich immer einer als Frau. Auch in diesem Jahr gibt es wieder die "Zensi". Nachdem sich alle Jungs umgezogen haben, starten sie mit der Tour, klingelen und stürmen auch das ein oder andere Haus. Manche Autofahrer werden ebenso zum Anhalten gebracht. "Viele Bürger finden es toll, dass die Jugend die Tradition wahrt. Einige öffnen aber ungern die Tür, denn dann kommt der Bär und verteilt sein Stroh", sagt Claudia Allendorf, Mutter des aktuellen "Erbesbären". Der Bär selbst kommt ganz schön in Schwitzen: "Es ist sehr warm, wie im Bett", nuschelt Jan Allendorf wegen der Atemschutzmaske. Die Jungs haben auf jeden Fall mächtig Spaß und wollen auch in 2017 wieder einen Bären durchs Dorf treiben. (Nina Sauer) +++

X