Ein Feuerwerk von Pointen

Walter Sittler las Dieter Hildebrandt - ON sprach mit dessen Witwe Renate Küster


Foto: Bror Ivefeldt

02.12.2016 / FULDA - "Das ist ein ganz tolles Theater hier", sagte Renate Küster, die Witwe von Kabarett-Legende Dieter Hildebrandt (1927-2013), am Donnerstagabend im Foyer des Fuldaer Schlosstheaters im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. "Ich wollte die Show unbedingt mal wiedersehen, und da bin ich kurzerhand von München nach Fulda gefahren." Auf dem Programm: "Walter Sittler liest Dieter Hildebrandt".

Zur Vorgeschichte: Als Dieter Hildebrandt im November 2013 starb, lag da noch ein ganzes, fertiges Programm in der Schublade, das nicht mehr zur Aufführung kommen konnte, posthum unter dem Titel "Letzte Zugabe" veröffentlicht wurde und auch als Hörbuch eingesprochen werden sollte. "Der Verlag hat mir eine Liste von Kabarettisten wie zum Beispiel Bruno Jonas geschickt, die das besorgen könnten", erinnert sich Renate Küster. "Aber die kamen für mich alle nicht in Frage. Ich wollte eine unverbrauchte, neutralere Stimme." Weil sie den Schauspieler Walter Sittler, der dem Publikum durch TV-Serien wie "Nikola" oder "Der Kommissar und das Meer" bekannt ist, nicht zuletzt wegen dessen Eintretens gegen "Stuttgart 21" schätzte, habe man sich schließlich auf diesen als Sprecher geeinigt. Ein Selbstläufer: Das Hörbuch wurde ein Riesenerfolg, Sittler ging auf Lesereise und hat das Programm mittlerweile um einige frühere Texte von Dieter Hildebrandt erweitert.

Walter Sittler hat Dieter Hildebrandt nie kennengelernt, und doch verbinden beide die große Bewunderung für Erich Kästner. Während der Schauspieler vor Jahren Rezitationsabende mit dessen Texten veranstaltete, wurden Hildebrandt in den 1950er Jahren vom "Urenkel der Aufklärung", wie Kästner gern genannt wird, die Augen geöffnet, was sein späteres kabarettistisches Schaffen bestimmen sollte. Sittler begann den Abend denn auch mit der Dankesrede Dieter Hildebrandts anlässlich der Verleihung des Erich-Kästner-Preises im Frühjahr 2013. "Diese Auszeichnung war für Dieter der Ritterschlag", sagt Renate Küster.



Was folgte war eine Art "Best of ,Scheibenwischer‘", die witziger kaum hätte sein können. Das Publikum im vollbesetzten Saal zumindest geizte nicht mit Lachern und Zwischenapplaus. Nichts und niemand in den vergangenen Jahrzehnten war vor Hildebrandts scharfer Zunge sicher, weder der Berliner Flughafen noch Volksmusiker "Florian Silberkuchen", weder die deutsche Sportberichterstattung noch "Flinten-Uschi von der Leyen" – alle bekamen sie ihr Fett weg. Sehr schön die Idee mit dem interaktiven Denkzettelständer, einer Art Karteikasten, aus dem Sittler Karten zog und – wenn das Publikum Stop rief – davon einen von Hildebrandts geistreichen Gags vorlas. Müßig an dieser Stelle einzelne Pointen herauszunehmen, das wäre, als würde man wahllos Funken aus einem riesigen Silvester-Feuerwerk herauspicken. Immerhin aber blieb unterm Strich die Erkenntnis: "Man fasst sich an den Kopf und greift ins Leere."

Das große Verdienst von Grimme-Preisträger Walter Sittler war am Donnerstagabend, dass er sich und seine Person völlig in den Hintergrund stellte. Unprätentiös in Straßenklamotten gekleidet, betrat er die Bühne, setzte sich an einen schmucklosen Tisch und begann mit sichtlich viel Spaß zu lesen. Mehr noch: Er spielte Dieter Hildebrandt, verfiel schnell in dessen Duktus und schuf die Illusion, der Meister höchstpersönlich sei vor Ort. Treffenderweise war der Abend denn auch mit der Dieter-Hildebrandt-Zeile "Ich bin immer noch hier" überschrieben. Nach zwei kurzweiligen Stunden feierte das Publikum Walter Sittler "und" Dieter Hildebrandt mit stehenden Ovationen. Der Schauspieler bedankte sich mit zwei Zugaben. (Matthias Witzel) +++

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