Die MITTWOCHS-KOLUMNE

WIELOCH schreibt an (13) … Fuldas Stadtführer Gerhard Möller



23.11.2016 / REGION - Lieber Herr Möller,



von Fuldas Oberbürgermeister zum Stadtführer in der Barockstadt. Für mich die logische Konsequenz. Der nächste Schritt. Das ist wie vom Bundestrainer zum DFB-Präsidenten, vom Bundeskanzler zum Bundespräsidenten. Schluss mit quälend langen Sitzungen, mit politischer Taktiererei, mit Terminstress. Jetzt geben Sie ganz entspannt den Takt vor. Heertor oder Floravase, Altes Rathaus oder Orangerie? Das bestimmen Sie alleine, ohne Opposition, ohne öffentlichen Druck. Als Stadtführer sind Sie noch näher dran an den Menschen. Nach einem kurzweiligen Nachmittag zwischen Schlossgarten und Dom sind Sie für Ihre Gäste der Bürgermeister der Herzen.

Lieber Herr Möller, ich kann mir vorstellen, dass Sie bei Ihren Führungen zwei unterschiedliche Strategien im Portfolio haben. Wahrscheinlich werden Sie sich vor Touristen – ehrlich wie Sie sind – meistens als Ex-OB von Fulda outen. Das ist dann die Standard-Tour mit einem bescheidenen Führer, der seine eigenen Verdienste unter den Teppich kehrt. Ich wäre gerne bei einer Undercover-Möller-Tour dabei. Wenn Sie einer Gruppe Japanern oder dem Kegelclub aus Backnang die schönsten Stellen Fuldas zeigen, aber eben nur als „ein“, nicht als „der Möller“. Wenn Sie am Uniplatz stehen bleiben und sich schelmisch über die Holzhunde als größte künstlerische Fehlleistung in der Geschichte der Bundesrepublik lustig machen. Wenn Sie mit funkelnden Augen über Fuldas einzigartigen wirtschaftlichen Aufschwung zwischen 2003 und 2015 referieren. Und wenn Sie grinsend darüber berichten, dass politische Leichtmatrosen seit dem vergangenen Jahr händeringend im Stadtschloss versuchen, den Tanker weiter in der Erfolgsspur der vorherigen OB-Lichtgestalt zu halten.

Lieber Herr Möller, Sie kennen Fulda wie kaum ein Zweiter. Trotzdem bin ich mir sicher, dass Sie Ihre Heimat als Gästeführer aus anderen Augen sehen, aus neuen Perspektiven wahrnehmen. Vielleicht kommen Sie sich manchmal ein bisschen wie der Kleine Bär und der Kleine Tiger aus Janoschs „Oh, wie schön ist Panama“ vor. Ohne politisches Amt und frei von Druck haben Sie die nötige Distanz zu Ihrer Heimat. Als Stadtführer bauen Sie wiederum eine extreme Nähe auf. Eine schöne Mischung, um das eigene Zuhause intensiv zu erleben. Genießen Sie es!

Als ich hörte, dass Sie Stadtführer von Fulda werden, musste ich sofort an Johann Wolfgang von Goethe und seine Italienreise denken. Der Dichterfürst kam von Karlsbad über München, Verona und Bologna nach Rom. Er interessierte sich für die Antike. Sie fahren regelmäßig von Künzell nach Fulda, Ihre Leidenschaft ist ebenfalls die Geschichte. Goethe reiste inkognito. Das Pseudonym, das er sich zulegte, kann kein Zufall gewesen sein. Goethe verband schon damals Stil mit Weitsicht. Er nannte sich, Sie wissen es vielleicht, „Möller“, „Maler Möller“. Bei einer Ihrer nächsten Stadtführungen spiele ich Mäuschen. Lieber Herr Möller, wie stellen Sie sich Ihren Gästen vor? Vielleicht als „Goethe, Gerhard Goethe“?

Mit herzlichen Grüßen









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