Festakt am Tag der Ersterwähnung

825 Jahre Philippsthal, aber kein Grund, die Sektkorken knallen zu lassen


Fotos: Gudrun Schmidl

13.11.2016 / PHILIPPSTHAL - Der Kirchenvorstand hat sich in „seinem unerschütterlichen Glauben“ an die urkundliche Ersterwähnung des Ortes Philippsthal nicht beirren lassen. Kreuzburg, wie Philippsthal früher hieß, erscheint demnach in einem Schutzbrief des Papstes Coelestin III. aus dem Jahr 1191 an das von der Abtei Hersfeld gegründete gleichnamige Kloster. Mit einem Festakt am Tag der urkundlichen Ersterwähnung, Freitag, 11. November, wurden die Feierlichkeiten zum Jubiläum der Marktgemeinde in der evangelischen Schlosskirche gekrönt.



Nachdem im Marburger Staatsarchiv ein vermeintlich älterer schriftlicher Beleg gefunden worden war, sagte die Gemeinde die ursprünglich geplanten Feierlichkeiten ab – irrtümlich, wie sich später herausstellte. Tatsächlich bezieht sich jene Urkunde des Kaisers Friedrich Barbarossa aus dem Jahr 1170 auf Creuzburg in Thüringen. Dass doch noch gefeiert werden konnte, ermöglichte die Vorarbeit des Kirchenvorstands, allen voran Pfarrerin Rita Stückrad-Frisch. Der Festausschuss wurde durch Vertreter der politischen Gremien sowie der örtlichen Vereine ergänzt.

Die Feierlichkeiten wurden eine Woche vorher durch einen Nachtwächter in den Straßen des alten Ortskerns eingeläutet. Mit einem Gottesdienst am Sonntag, 5. November, wurde eine viertägige Ausstellung eröffnet, in der an unzählige Einzelschicksale früherer, längst vergessener Einwohner erinnert wurde – dabei wurden nicht nur die Honoratioren, sondern auch die „Originale“ aus dem einfachen Volk berücksichtigt. Vor dem Festakt fand in der Schlosskirche ein feierlicher ökumenischer Festgottesdienst statt, der von Pfarrerin Rita Stückrad-Frisch und Pfarrer Andreas Bieber von der katholischen Kirchengemeinde St. Robert in Heringen gestaltet wurde.

Die Festpredigt hielt Dekan Dr. Frank Hofmann. „Wir feiern Jubiläum in schwierigen Zeiten“, brachte er die Stimmung in der Gemeinde angesichts der Krise beim größten Arbeitgeber Kali & Salz und der damit verbundenen angespannten Finanzsituation der Gemeinde auf den Punkt. „Die Entscheidungen, die nicht hier fallen, verunsichern eine ganze Region. Existenzangst macht sich in vielen Häusern breit und wirft die Frage auf: Was wird uns die Zukunft bringen?“ Dekan Dr. Frank Hofmann hofft auf einen Kompromiss aller Verantwortlichen, der ökonomisch und ökologisch verantwortbar ist, schränkt jedoch ein: „Einfache Lösungen für komplexe Probleme gibt es nicht“.

Dieser Gottesdienst widmete sich, wie der sich anschließende Festakt auch, überwiegend der Vergangenheit des Ortes, der angemessen gedacht wurde. Die mit Gastsängern verstärkte Kantorei Kreuzberg unter der Leitung von Kantorin Barbara Matthes umrahmte den Gottesdienst musikalisch und gewährte dabei ein Rückblick auf die Entwicklung der Kirchenmusik in den vergangenen Jahrhunderten. Den Festakt gestalteten mit musikalischen Beiträgen der örtliche Frauenchor unter der Leitung von Petra Lotz und der Männerchor 1893 Philippsthal unter der Leitung von Thomas Martens.

Kein anderer Ort hätte passender sein können für einen Rückblick auf 825 Jahre Ortsgeschichte als die historische Schlosskirche. Pfarrerin Rita Stückrad-Frisch nahm sich, mit vielen Anekdoten gewürzt, speziell der Geschichte von Kloster Kreuzberg an, das Papst Alexander IV. im Jahr 1251 in seinen Schutz nahm. 1524 wurde das Kloster aufgelöst und Abt Grato von Weiffenbach schließt sich der Reformation an. Ein Jahr später, am 22.04.1525, wird das Kloster während des Bauernaufstandes zerstört. Fünfzig Jahre danach, 1593, geht das Kloster Kreuzberg an das Haus Hessen. Im Jahr 1685 übernimmt Landgraf Philipp von Hessen das Kloster und den Ort und lässt ein Schloss bauen.

Zu den vielen Ehrengästen gehörte Prinz Alexis von Hessen, der zur rund 300 Jahre dauernden Landgrafengeschichte ausführlich und unterhaltsam referierte. Vor über 30 Jahren ist er als jüngster Sohn von Prinz Herrmann von Hessen bei seinem ersten Besuch in Philippsthal wortwörtlich in die Tiefen seiner Herkunft abgetaucht, denn ihm wurde auch ein Blick in die Familiengruft gewährt. Die Linie wurde im Jahr 1685 von Philipp I., dem dritten Sohn des Landgrafen Wilhelm VI. von Hessen-Kassel und der Prinzessin Hedwig Sophie von Brandenburg, begründet. Landgrafen aus der Linie Hessen-Philippsthal folgten bis in das 20. Jahrhundert. Nach dem Tode von Ernst von Hessen-Philippsthal 1925 fiel sein Erbe an einen Seitenzweig dieser Linie, Hessen-Philippsthal-Barchfeld. Dieser Zweig war 1721 von Philipps zweitem Sohn, Wilhelm, begründet worden. Seither haben die Prinzen von Hessen-Philippsthal-Barchfeld bis heute ihren Sitz auf Schloss Augustenau in Herleshausen. So auch Prinz Alexis von Hessen, der sich der Forstwirtschaft widmet.

Zu einem Rückblick gehört natürlich auch die jüngere Geschichte. Die Brücke nach Vacha und das „Haus Hoßfeld“ als Symbole der deutschen Teilung dürfen nicht vergessen werden. Besonders ergreifende Erinnerungen verbinden die Philippsthaler mit der Grenzöffnung vor 27 Jahren, mit der sie vom Rand in die Mitte Deutschlands gerückt sind. Geprägt werden der Ort und die Region von der grenzüberschreitenden Kaliindustrie, die der Bergmann Jörg Lohrbach ins Gedächtnis rief. 1908 begann die erste Förderung von Rohsalz am Standort Hattorf und damit der Aufschwung. „Westfalengänger“ fanden nun in der Heimat einen guten Arbeitsplatz. Kenntnisreich erläuterte er die wirtschaftliche Entwicklung an den Standorten Hattorf, Wintershall und Unterbreizbach.

Bürgermeister Ralf Orth widmet sich in seiner Festrede der Neuzeit und betont: „Philippsthal ist liebens- und lebenswert. Wir sind zwar eine alte Gemeinde, aber sind wir auch in die Jahre gekommen?“ Auf keinen Fall, denn Philippsthal profitiert von einer guten Infrastruktur, Breitbandversorgung in allen Ortsteilen, einem breit gefächerten Bildungsangebot, vielfältigen kulturellen Angeboten und einer großen wirtschaftliche Leistungskraft. Über 70 Vereine, Verbände, Kirchengemeinden und die Werbegemeinschaft sind für Ralf Orth die tragende Kraft der Gemeinde. Passend zu diesen lobenden Worten und in dem besonderen Rahmen wurde der 70 Jahre alte Rolf Dorsch für seine ehrenamtlichen Verdienste mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen ausgezeichnet.

„Die Gemeinde habe derzeit keinen Grund, die Sektkorken knallen zu lassen“, erklärte Ralf Orth vorab. Der Vergangenheit wurde jedoch angemessen gedacht und für die Zukunft macht er Hoffnung: „Wir stellen uns der Krise“. Das Fest klang bei Tonnenfeuern und Kerzenschein im Schlosshof aus. (Gudrun Schmidl) +++

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