SPD-Diskussionsrunde: Hausarzt gesucht
Genügend Ärzte - aber ein Verteilungsproblem
Fotos: Gudrun Schmidl
04.11.2016 / HAUNECK -
Die flächendeckende hausärztliche Versorgung ist bedroht. Einerseits nimmt der Bedarf medizinischer Versorgung mit dem demografischen Wandel der Gesellschaft zu. Andererseits schließen viele Hausarztpraxen in der Nähe, ohne dass eine Nachfolge gefunden werden konnte. Das Thema ist bereits über die politische Diskussion hinaus mitten in der Gesellschaft angekommen. Im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung im Bürgerhaus Unterhaun, zu der die SPD-Bundestagsfraktion eingeladen hatte, wurde die Frage "Wie lässt sich gute ärztliche Versorgung im ländlichen Raum sichern?" erörtert.
MdB Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, hatte mit MdB Bettina Müller, Mitglied des Ausschusses für Gesundheit, eine kompetente Kollegin an seiner Seite, die erklärte: „Wir haben deutschlandweit 370.000 Hausärzte (Stand 2014), aber ein Verteilungsproblem. Während die Ballungsgebiete überversorgt sind, ist der ländliche Raum unterversorgt. Im Durchschnitt sind die praktizierenden Hausärzte 56 Jahre alt. Im Jahr 2020 wird knapp die Hälfte auf Nachfolgersuche sein“.
Sein Vater, der Apotheker Jürgen Göbel, hat mit dem Bau eines Ärztehauses in Heringen ein Zeichen für die Zukunft gesetzt. Fünf Hausärzte mit verschiedenen medizinischen Schwerpunkten können sich in ihrem Wirken ergänzen und gegenseitig entlasten. Die Attraktivität für hausärztlichen Nachwuchs könnte nach Meinung von Sybille Totzke schon mit dem Wegfall des NC von 1,3 für das Medizinstudium steigen. „Danach hat mich nie jemand gefragt. Ärzte brauchen Einfühlungsvermögen“, betont sie. Hausärzte brauchen zudem mehr Zeit, ihren jungen, alten und behinderten Patienten zuzuhören. „Nur dann kann man die richtige Diagnose stellen“, weiß Dr. Christine Bali aus jahrzehntelanger Erfahrung, die außerdem darauf hinweist, dass Hausärzte keine Computer- oder Wirtschaftsexperten sind.
Nicht nur die ambulante, auch die stationäre medizinische Versorgung auf dem Land ist durch die Schließung von Kliniken bedroht, was wiederum lange Wege für die Bevölkerung bedeutet. Michael Roth und Bettina Müller nahmen die Anregungen, die Kritik und die Verbesserungsvorschläge in der sich anschließenden Gesprächsrunde dankend auf, um sie in ihre parlamentarische Arbeit einfließen zu lassen. So sollte nach Meinung der interessierten Gäste das Gesundheitssystem dringend vereinfacht werden. In einer weiteren Wortmeldung wurden die Gesundheitsreformen als Bruchstücke beschrieben, die an der Problematik nichts geändert haben. Hausärzte müssen durch Programme wie „Agnes“ oder „Verah“ entlastet werden, die vielfache Inanspruchnahme der Gerätemedizin muss hinterfragt werden und die ungleiche Behandlung von privat und gesetzlich Versicherten ist sowieso ein Dauerthema. Das Fazit von Michael Roth bringt es auf den Punkt: „Bei dem Problemthema Gesundheit weiß man nicht, wo man anfangen soll und wo man aufhören muss“. (Gudrun Schmidl) +++