Die MITTWOCHS-KOLUMNE
WIELOCH schreibt an (10) … die Sparkasse Fulda
02.11.2016 / REGION -
Liebe Sparkasse Fulda,
gefühlt war es bis gestern so: Schulabgänger und Abiturienten, die erst mal auf Nummer sicher gehen wollten, machten eine Banklehre. In Ihrem Haus oder woanders. Das war nicht spektakulär, aber eine solide Sache mit Weitblick. Eltern waren glücklich. Denn die Banklehre galt als die Königin der Ausbildungsberufe. Ein Job in der Finanzwelt war eine sichere Bank. Bei einem Kreditinstitut zu lernen hatte etwas von Golf fahren: Man konnte nichts falsch machen, war überall gerne gesehen.
Ende 2016 ist einiges aus den Fugen geraten: Golf-Bauer VW ist beim Schummeln aufgeflogen, und eine Banklehre ist mittlerweile kein Freifahrtschein mehr für eine sorgenfreie Zukunft. Unsere Bankenwelt wird aktuell durchgeschüttelt wie ein Laubbaum im Herbststurm. Zurück bleiben kahle Äste und ein bundesweites Filialnetz mit immer mehr weißen Flecken. Ende des Jahres schließen Sie, liebe Sparkasse, in Fulda und Umgebung neun Filialen. Damit liegen Sie im Trend. Die Deutsche Bank macht bis Mitte 2017 jeden vierten Standort dicht. Prognosen zufolge könnten bis zum Jahr 2025 rund 40 Prozent der zuletzt 34.000 bundesweiten Bankfilialen wegfallen. PC, Smartphone und Automaten ersetzen den Menschen.
Liebe Sparkasse Fulda, Sie stehen wie Ihre Mitbewerber vor einer großen Herausforderung, vor einem gravierenden Strukturwandel. Vergleichbar mit dem Aussterben der bäuerlichen Landwirtschaft und dem unaufhaltbaren Niedergang der Tageszeitung droht auch dem klassischen Bankgeschäft das Aus. Ich sehe das mit Wehmut. In meinem Hinterkopf spuken noch verblichene Bilder von kindlichen Sparkassen-Besuchen mit dem Vater und lebhafte Erinnerungen: an die Geldausgabe hinter Panzerglas, an die Furcht vor einem ungebetenen Besucher mit Sturmmaske, an geschlachtete Sparschweine und an die Freude über ein KNAX-Heft. Heute endet mein Sparkassen-Aufenthalt im Vorraum beim Geldautomaten oder im Hochglanz-Portal des Internets. Ich kenne nicht die Köpfe, die in „meiner“ Filiale arbeiten. Noch arbeiten. Denn in wenigen Wochen ist auch hier Feierabend. Aber ich komme damit zurecht. Mein wichtigster Ansprechpartner sitzt fest im Sattel – der TAN-Generator für Online-Überweisungen. Sie haben ihn mir schmackhaft gemacht. Jetzt müssen Sie mit den Auswirkungen seiner Beliebtheit leben.
Liebe Sparkassen-Mitarbeiter, Ihr Beruf hat sich verändert. Sie sind nicht mehr nur Berater, sondern immer öfter auch Verkäufer. Ab sofort, wenn Sie wollen, ohne Krawatte. Einen Schlipszwang gibt es in Ihrem Haus nicht mehr. Früher unvorstellbar. Aber da lagen die Zinsen für einen Immobilienkredit auch noch bei knapp zehn Prozent. Es war – zumindest für uns Kunden – eben doch nicht alles besser
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Jochen Wieloch