"Passt zur heutigen Zeit"

Aus 50 Kilo Reis und Getreide wird in Gläserzell der barmherzige Samariter

Heiko Unzeitig, Brigitte Flügel und Heike Hannig
Fotos: Julius Böhm

01.10.2016 / FULDA - Für Grobmotoriker ist diese Arbeit nichts, und diese kleinen Reis- und Getreidekörner können einen wirklich zur Weißglut treiben. Brigitte Flügel (48), Heike Hannig (53) und Heiko Unzeitig (41) sind aber mittlerweile schon Profis darin, den Früchteteppich auszulegen. Die Kirche St. Katharina in Fulda Gläserzell wird - wie auch in den letzten neun Jahren - zum Erntedankfest mit einem bunten Früchteteppich geschmückt sein. Für die drei bedeutet das: Die ganze Woche über nach der Arbeit auf Knien über den Kirchenboden robben.



"Aber wir machen es liebend gern", sagt Brigitte Flügel, die Lektorin in der Kirchengemeinde ist, "wir hoffen, dass unser geschmückter Altar viele Menschen in die Kirche zieht und zum Nachdenken anregt." Das Motiv könnte nicht aktueller sein: der barmherzige Samariter. Die Geschichte erzählt von einem Mann, der auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho von Räubern ausgeraubt und verprügelt wurde. Mehrere Menschen gingen einfach an dem verletzten Mann, der am Straßenrand lag, vorbei - sogar ein Priester. Erst ein Samaritaner sah die Not und kümmerte sich um den Mann und seine Wunden.

"Dieses Motiv lässt sich wunderbar auf die heutige Zeit widerspiegeln. Gerade kommen viele Menschen, die vor Tod und Leid fliehen, zu uns und suchen nach Barmherzigkeit", erklärt Brigitte Flügel. Heike Hannig ergänzt: "Aktuell ist auch das Kirchenjahr der Barmherzigkeit. Unser Pfarrer Thorsten Kremer hatte uns auf dieses Bild gebracht." Insgesamt werden auf vier Quadratmetern Fläche rund 50 Kilogramm Reis, Linsen, Bohnen, Getreide und andere Früchte der Erde verbaut. "Es ist nicht der größte Früchteteppich, aber wir hoffen trotzdem, die Geschichte greifbar zu machen."

Vor zehn Jahren begann Küster Heiko Unzeitig mit der Tradition - bis heute hat sie standgehalten. "Jeder ist eingeladen, sich unseren geschmückten Altar ab dem Erntedankfest anzuschauen. In der kommenden Woche ist die Kirche von 10 bis 18 Uhr für Jedermann geöffnet. Besonders Kindergarten- und Schulgruppen würden uns freuen", so der 41-Jährige. Rund um den Früchteteppich wird der Altar noch mit den Früchten des Herbstes festlich geschmückt.

Brigitte Flügel hofft auf einen kleinen Effekt bei den Menschen: "Wir sind alle drei in einer Zeit aufgewachsen, in der die Kirche und die Religion noch eine wichtige Rolle im Leben gespielt hat. Solch ein Früchteteppich kann den Glauben und auch seine Werte veranschaulichen. Wir wünschen uns einfach, dass der Bezug der Menschen zur Kirche nicht komplett verloren geht." (Julius Böhm)

Wer sich den Früchteteppich samt Altar mit einer größeren Gruppe ansehen möchte, kann sich bei Küster Heiko Unzeitig unter 0176/41997278 melden, damit das Licht in der Kirche angemacht wird. Um die Tradition am Leben zu erhalten und um die Materialien zu finanzieren sind Spenden in die Opferstöcke in der Kirche möglich. +++



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