"Sport hebt Grenzen auf"

Irakischer Flüchtling holt zwei Hessenmeister-Titel für die Turngemeinde Hanau

Der irakische Meister über 100 und 200 Meter, Mustafa Al-Muhsin, kam vor einem Jahr als Flüchtling nach Hanau und holte inzwischen zwei Hessenmeister-Titel für die TGH

29.09.2016 / LEICHTATHLETIK - „Sport hebt Grenzen auf – zwischen Hautfarben, Religionen und Nationalitäten. Sport ist deshalb ein hervorragendes Mittel zur Integration – auch für die Flüchtlinge, die in den vergangenen Monaten zu uns gekommen sind“, sagt Hanaus Stadtrat Axel Weiss-Thiel. Er verweist dabei auf das Beispiel von Mustafa Al-Muhsin, der vor rund einem Jahr aus dem Irak nach Deutschland geflohen ist, in der Brüder-Grimm-Stadt inzwischen eine neue Heimat gefunden hat und für die Turngemeinde Hanau (TGH) innerhalb kürzester Zeit zum Aushängeschild geworden ist.



Wenn man mit dem gerade 18 Jahre alt gewordenen Iraker über seine Eindrücke von Hanau spricht, dann kommt man an der August-Schärttner-Halle nicht vorbei. Im September 2015 strandete er in jener Halle, die seinerzeit als Notunterkunft diente. Nur drei Monate später absolvierte er an gleicher Stätte beim Nikolaussportfest seinen ersten Wettkampf für die TGH – nach gerade einmal zehn Trainingseinheiten. Nicht nur für seine Trainer Bryan Heeg und Uli Ricker war sofort klar, dass sie einen Leichtathleten der Extraklasse vor sich haben. Al-Muhsin zählt mittlerweile zu den besten Sprintern in Hessen und ist deshalb auch in den Kader des Hessischen Leichtathletik-Verbandes berufen worden. Ende Oktober wird er erstmals an einem Trainingslager in Kienbaum teilnehmen.

Die Geschichte von Mustafa Al-Muhsin ist auch deshalb eine bemerkenswerte, weil er als sogenannter unbegleiteter minderjähriger Ausländer (umA) nach Deutschland gekommen ist – also ohne Eltern und ohne familiären Rückhalt. Mehr als 100 dieser umA befinden sich derzeit in Obhut des städtischen Jugendamtes. Denn sobald ein minderjähriger Flüchtling aufgegriffen wird, der ohne Erziehungsberechtigten nach Hanau gekommen ist, wird eine sogenannte Inobhutnahme ausgesprochen. Der kommunale Soziale Dienst kümmert sich dann um die Unterbringung, ein Vormund wird bestellt. Die sogenannten umA leben zum Großteil in sechs Jugendhilfeeinrichtungen, die über das Stadtgebiet verteilt sind. Dort werden sie voll versorgt und von Sozialarbeitern rund um die Uhr betreut. „Die Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen funktioniert hervorragend“, lobt Weiss-Thiel.

Mustafa Al-Muhsin wird das vermutlich bestätigen, denn der aus Basra stammende 18-Jährige hat sich in Hanau schnell eingelebt. Sein Betreuer vermittelte ihm den Kontakt zur TGH, nachdem Al-Muhsin ihm berichtet hatte, dass er irakischer Meister über 100 und 200 Meter in seiner Altersklasse gewesen sei. „Wir haben dann sehr schnell gesehen, dass er richtig was drauf hat“, erinnert sich TGH-Trainer Bryan Heeg an die ersten Begegnungen mit Al-Muhsin. Trotz anfänglicher Sprachprobleme integrierte sich der damals 17-Jährige schnell in die Trainingsgruppe – und startete in der Sommersaison dann richtig durch. In der Altersklasse U20 holte er sich den Hessenmeister-Titel über 100 und 200 Meter. Dank dieser Erfolge durfte er sich auch bei den Hessischen Meisterschaften der Männer beweisen – und wurde dort auf Anhieb Zweiter über 200 Meter. Seine Zeit von 21,59 Sekunden bedeutet Platz acht in der bundesweiten Bestenliste der U20.

„Es macht mir sehr viel Spaß, bei der TG Hanau zu trainieren“, sagt Al-Muhsin. Auch mit der Verständigung klappt es inzwischen gut, denn der 18-Jährige besucht täglich eine der sogenannten InteA-Klassen. InteA steht für „Integration und Abschluss“ und bietet Seiteneinsteigern mit geringen Deutschkenntnissen zwischen 16 und 20 Jahren die Chance, einen deutschen Schulabschluss zu erwerben. Das ist auch das Ziel von Mustafa Al-Muhsin, der sein Heimatland ohne Schulabschluss verlassen musste.

Über die weiteren Ziele in seinem Leben hat sich der Iraker noch keine richtigen Gedanken gemacht. Jetzt steht erst einmal die sogenannte Verselbstständigung an. Mit Erreichen der Volljährigkeit erlischt zwar die Vormundschaft der Stadt Hanau, alleine gelassen werden die jungen Leute dann allerdings nicht. Ein Betreuer steht ihnen auch bei den ersten Schritten in ein selbständiges Leben zur Seite – bei Bedarf bis zum 21. Lebensjahr. Auch auf Mustafa Al-Muhsin warten nun neue Aufgaben, zum Beispiel die Suche nach einer eigenen Wohnung. Dabei wollen ihm auch die Vereinskollegen der TG Hanau helfen. Ganz im Sinne der Integration. +++





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