Die MITTWOCHS-KOLUMNE

WIELOCH schreibt an (3)… Bad Hersfelds Bürgermeister Thomas Fehling

Ein persönlicher Brief heute wieder von Jochen Wieloch ...

14.09.2016 / REGION - Sehr geehrter Herr Fehling,



jetzt ist es amtlich, Sie haben Holk Freytag endgültig überlebt. Sie bleiben Bürgermeister von Bad Hersfeld. Für mich ein kleines Wunder. „Fehling schadet dem Ansehen unserer Festspiele und unserer Stadt“, hatte Ihnen die Mehrheitsfraktion aus SPD, Grünen und FWG vor drei Jahren unterstellt. Außerdem, so hieß es damals in der Presseerklärung, mangele es Ihnen an Weitblick im Projektmanagement und an der nötigen Fürsorgepflicht eines Bürgermeisters als Dienstvorgesetztem. Im Sommer vor zwei Jahren folgte dann Ihre bundesweit unrühmliche Posse um die peinliche Entlassung des Intendanten der Festspiele. Gegen den Willen vieler hatten Sie Holk Freytag gefeuert. Ich bin kein Kenner der Bad Hersfelder Szene, verfüge über keine Interna. Trotzdem: für mich ein Witz ob der damals fadenscheinigen Argumentation.

Im heißesten September aller Zeiten spielt das keine Rolle mehr. Mit Dieter Wedel ist Ihnen ein Glücksgriff gelungen, der Ihrem Städtchen bundesweit wieder positive Aufmerksamkeit beschert. Eindrucksvoll haben Sie in den vergangenen, zum Teil sehr turbulenten Jahren, die wichtigste Eigenschaft eines erfolgreichen Politikers unter Beweis gestellt: dickes Fell. Das meine ich durchaus ohne Polemik: Der Normalbürger würde am permanenten Gegenwind, an ständiger Kritik, am Dauerdruck durch Kollegen, Medien und Wähler zerbrechen, die Brocken hinschmeißen. Sie haben das als Vollprofi ausgesessen, Teflonspray im nahen Amazon-Lager auf Vorrat bestellt, damit alles – zumindest äußerlich – an Ihnen abperlt. Sie sind Bad Hersfelds beste Pfanne.

Nicht zuletzt durften Sie auf eine entscheidende Trumpfkarte setzen: Wähler sind vergesslich. Viele vergessen, was suboptimal gelaufen ist. In der Festspielstadt haben am vergangenen Sonntag darüber hinaus mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten den Gang an die Urne verschwitzt. So reicht es, dass Sie gerade mal knapp jeder Vierte aus der Lullusstadt zum Weiterregieren legitimiert hat. Diese Tatsache mache ich Ihnen nicht zum Vorwurf. Sie zeigt, dass die Menschen mit ihren Lebensumständen zufrieden sind. Glück macht träge. Der Antrieb der aktuell extrem regen AfD-(Protest)wähler liegt nicht in deren besonders ausgeprägtem Interesse an Politik – sie sind schlichtweg eins: unzufrieden, aus welchen Gründen auch immer.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie ein Bürgermeister mit Teflon-Haut und kühlem Kopf, aber auch mit Herz und Emotion sind. Kein Herrscher, kein eitler Alleinentscheider gegen das Volk. Nehmen Sie sich die Zufriedenheit der Bürger, nicht Ihre eigene, als Maßstab. Sonnen Sie sich nicht im Licht der Festspiel-Stars und -Sternchen. Ihr Rathaus ist nicht die Bühne der Stiftsruine. Pfeifen Sie auf Kabale, setzen Sie auf Liebe. Seien Sie Thomas der Weise, bei überflüssigen Projekten gerne auch mal der Geizige. Zeigen Sie Idioten jedweder Art Ihre Faust.

Ich mag Bürgermeister, die in erster Linie eines sind und bleiben: Mensch. Dann kann ich mit Fehlern gut leben. Lieber Herr Fehling, ich bin gespannt, wie sehr ich Sie in Zukunft mag.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr Jochen Wieloch





X