Der Unermüdliche

Bernd FICHTNER trotzt seinen Schicksalsschlägen - Benefizspiel für Ex-Eitraer

Bernd Fichtner mit seiner Ehefrau Beate, mit der er seit 14 Jahren verheiratet ist
Fotos (7:): Tobias Herrling

22.08.2016 / HANDBALL - Wenn Bernd Fichtner sein Haus in Ütteroda (Wartburgkreis) verlässt und sich mit einer Tasse Kaffee auf seine Terrasse setzt, dann hat der 51-Jährige einen traumhaften Blick über den Thüringer Wald und auf die Wartburg, die hoch oben aus den Bäumen hervor schaut. „Für mich ist das der ideale Ort, um Kraft zu sammeln“, sagt er über sein Idyll im Eisenacher Umland. Bernd Fichtner ist ehemaliger Handballer und vor Jahren an Multipler Sklerose erkrankt. Das Schicksal meint es nicht gut mit „Fichte“ – um ihn zu unterstützen, haben seine alten Weggefährten ein Benefizspiel organisiert.



„Wir für Bernd“ – so lautet das Motto der Veranstaltung am kommenden Mittwoch um 20 Uhr, wenn in der Schenklengsfelder Großsporthalle eine Osthessen-Auswahl auf den Bundesligisten MT Melsungen trifft. Wenn Bernd Fichtner an das Spiel denkt, das zu seinen Gunsten ausgetragen wird, muss der 51-Jährge kurz innehalten. „Ich denke mit freudigen Augen an dieses Spiel“, sagt der ehemalige Rechtsaußen, der wahnsinnig überrascht war, als er von diesem Benefizspiel erfuhr. „Es erfüllt mich mit Stolz, denn es zeigt, dass ich nicht so viel falsch gemacht haben kann“, so Fichtner weiter.

Denn immerhin, betont der 51-Jährige, liege seine Zeit in Eitra schon knapp 20 Jahre zurück. „Dieser Zusammenhalt, den wir damals in der Mannschaft hatten, ist immer noch zu spüren“, beschreibt Fichtner und erzählt, dass die alten Freundschaften noch immer bestehen und der Kontakt nie abgerissen ist. Mit seinem Mannschaftskollegen Wolfgang Kemmler verbinde ihn eine ganz besondere Freundschaft. Regelmäßig treffe sich die frühere Mannschaft des TVE, der in den 90er Jahren einige Zeit in der Bundesliga spielte, um Kontakte zu pflegen und in Erinnerungen zu schwelgen.

Nach Eitra, in das kleine Nest in Waldhessen, kam Bernd Fichtner kurz nachdem die Mauer fiel. 1990 spielte er mit seinem damaligen Klub, der BSG Motor Eisenach, gegen Eitra – und markierte 13 Treffer. „Der damalige Manager Heinz Koch hat mir dann nach dem Spiel unter dem Tisch seine Karte zugesteckt“, erklärt „Fichte“, wie er den Weg zum TVE gefunden hatte. Fünf Jahre bleibt der treffsichere Rechtsaußen, der maßgeblich am Erfolg des kleinen Dorfvereins beteiligt ist, in Eitra, ehe er zurück nach Eisenach geht und später in Eschwege schließlich seine Laufbahn beendet.

Einst kam er aus Leipzig in die Wartburgstadt - ein Wechsel, der sich im damaligen System der DDR als äußerst schwierig gestaltet. Zumal Bernd Fichtner der Ruf als "Unbeugsamer" voraus eilt. Bevor Fichtner für Eisenach auflaufen darf, wird er kurzerhand zur Armee nach Weißenfels eingezogen. „Wie das damals alles zuging, ist heute für Außenstehende schwer zu begreifen“, erzählt Fichtner, der noch immer voll berufstätig ist und im Qualitätsmanagement arbeitet. „Da bin ich meinem Arbeitgeber auch sehr dankbar, dass er mir diese Fortbildung ermöglicht hat.“

Denn vor neun Jahren bekommt Bernd Fichtner die Schock-Diagnose. „In der Reha bin ich vom Laufband gefallen und habe mir nichts dabei gedacht“, erzählt Fichtner. Die Nachricht, die er später erhält, ist dagegen umso schlimmer: Fichtner ist an Multipler Sklerose erkrankt. „Es war alles schwarz, alles dunkel“, beschreibt Fichtner den Moment, als er vom Arzt die Art seiner Erkrankung mitgeteilt bekommt. „Man weiß ja überhaupt nicht, was das ist, Multiple Sklerose und was auf einen zukommt“, ergänzt seine Frau Beate, mit der der 51-Jährige seit 14 Jahren verheiratet ist. Umso beeindruckender ist die Art und Weise, wie offen und gar humorvoll Bernd Fichtner mit seiner Krankheit umgeht.

„Ich bin der Überzeugung: nur wenn du Willen zeigst, wird dir geholfen. Sich zu verstecken und einzuschließen, bringt nichts“, lautet Fichtners Motto. Dabei ist die Erkrankung MS nicht der erste Schlag, mit dem „Fichte“ umgehen muss. In seinem linken Knie sitzt bereits ein künstliches Gelenk – als Spätfolge seiner zwei Kreuzbandrisse, die er sich zu aktiven Zeiten zugezogen hat. Vor einem Jahr dann der nächste Schicksalsschlag: Kurz vor seinem 50. Geburtstag – eine große Feier mit 90 geladenen Gästen ist bereits organisiert – erleidet Fichtner einen Herzinfarkt. Zwei Stents müssen gelegt werden. Klinik statt Geburtstag.

„Ich nehme eben alles mit, was geht“, frotzelt Fichtner. Um die MS einzudämmen, muss er regelmäßig ein Eiweißpräparat spritzen. „In den ersten drei Jahren ging es rapide bergab, aber zuletzt nicht mehr in diesem wahnsinnigen Tempo“, beschreibt Fichtner die Entwicklung seit seiner Erkrankung. Zu 99 Prozent sei die chronisch-entzündliche Krankheit bei ihm auf das rechte Bein beschränkt. Um sich fortzubewegen, hat er einen Rollstuhl, absolviert aber noch viele Strecken selbstständig.

Vor etwa drei Jahren hat Bernd Fichtner in seinem 260-Seelen-Dorf auch noch ein neues Haus gebaut. Sein Bungalow wurde barrierefrei, behindertengerecht und mit verbreiterten Türen gestaltet, um Bernd Fichtner den Alltag zu erleichtern. Und um sich zu erholen und Kraft zu sammeln, kann Fichtner einfach auf seiner Terrasse den Blick auf die Wartburg genießen. (Tobias Herrling) +++

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