Fehlt die "Erste Hilfe Einweisung"?
Flüchtlingskind (18 Monate) erstickt - Rettungskette funktionierte nicht
Fotos: Dennis Hainer
17.08.2016 / KÜNZELL -
Ein 18 Monate alter Säugling ist in einer Flüchtlingsunterkunft in Künzell-Pilgerzell erstickt. Das Baby hatte vermutlich ein Stückchen Mohrrübe verschluckt und keine Luft mehr bekommen. Zwei Stunden lang kämpften Sanitäter und Ärzte am Klinikum um das Leben des Flüchtlingskindes - vergeblich. Wohl auch, weil es bei der Rettungskette Probleme gab. Der Notruf wurde wohl zu spät abgesetzt. Wie HITRADIO FFH berichtet, fehlt wohl eine echte "Erste Hilfe-Einweisung".
Das Protokoll vom 27. Juli:
19:07 Uhr: Bei der Leitstelle am Polizeipräsidium Osthessen geht ein hektischer Anruf ein. Als sich der Beamte mit "Polizei, wie kann ich Ihnen helfen?" meldet, sagt die Person am anderen Ende der Leitung: "Polizei? Falsch!" und beendet das Gespräch prompt.
19:17 Uhr: Eine deutschsprachige Frau, wie sich später herausstellte eine Fußgängerin, ruft erneut bei der Polizei an und meldet einen Zwischenfall an der Flüchtlingsunterkunft in Künzell-Pilgerzell. Ein Kleinkind würde ersticken, man benötige sofort einen Notarzt.
19:34 Uhr: Wieder geht ein Notruf bei der Polizei ein - diesmal von der Rettungsleitstelle. Es werde an der Einsatzstelle polizeiliche Unterstützung benötigt. Die Sanitäter können dem Kind nicht richtig helfen, weil Bewohner sie behindern.
21:22 Uhr: Die dienstahbende Ärztin der Kinderklinik in Fulda muss der Polizei die traurige Nachricht übermitteln. Das 18 Monate alte Baby ist verstorben. Die Ursache ist zunächst unklar. Später stellt sich heraus, dass ein verschluckter Fremdkörper - vermutlich ein Stück Karotte - die Luftröhre des Babys verstopfte. Das Kind starb einen Bolustod.
Jürgen Diegelmann, Leiter der Flüchtlingsarbeit bei den Maltesern, spricht von einem ganz schlimmen Vorfall: "Es ist schrecklich, dass wir mit einem toten Kind die Höchststrafe erhalten und nun daraus lernen müssen." Bei der Ankunft in der Unterkunft erhielten die Bewohner Informationen über Notausgänge, Brandschutz und eben auch die Notrufnummern. "Sie hängen auch in drei Sprachen im Gebäude aus. Wenn man aber in so eine Unterkunft einzieht, erhält man in wenigen Stunden so viele Informationen - vielleicht ist das einfach untergegangen." Eine gezielte Sicherheitsschulung wäre in seinen Augen von Nöten. "Die Mitarbeiter in und um die Flüchtlingsheime geben ihr Menschenmöglichstes und versuchen wirklich, die Menschen auf das Leben in einem fremden Land vorzubereiten. An diesem Vorfall haben alle zu knabbern."
Der Landkreis Fulda als verantwortliche Behörde war auch nach Stunden noch nicht in der Lage, auf eine Anfrage von OSTHESSEN|NEWS zu reagieren. Eine Stellungnahme wurde aber angekündigt. Diese wird ergänzt, sobald sie vorliegt. (Julius Böhm) +++