Leinen los!

QM2, Hafenkulisse und Träumereien in Weltstadft Hamburg - von K. W. SITZMANN


Fotos: Klaus Willem Sitzmann

05.07.2016 / HAMBURG - An sich ist es Hamburger Alltag, wenn Schiffe aus der ganzen Welt in den Hafen kommen. Mit einer Ausnahme: Legt der „Lieblingsdampfer“ an, ist ganz Hamburg auf den Beinen und die Landungsbrücken werden zur Aussichtsplattform. Dieses Mal war auch ein ganz spezieller Aufenthalt vorgesehen. Nach der Indienststellung 2004, beschloss die Reederei Cunard ihr Flaggschiff general überholen zu lassen. Eine große Ehre für Hamburg, denn andere Werften auf dieser Welt hätten „die Queen“ auch gerne schön gemacht. Hundert Millionen Euro hat der Spaß gekostet – da kommt Freude auf.



Planmäßig verließ SIE das Trockendock 17 der Blohm & Voss Werft Mitte Juni und ganz gewiss nicht still. Die jubelnden Menschen und die Klänge der englischen Nationalhymne begleiteten das äußerst schwierige Wendemanöver vor dem Dock. Man muss den Hut ziehen. In nur drei Wochen haben um die 5.000 Menschen in verschiedenen Funktionen das Master-Refit bewerkstelligt und somit ein logistisches Kunstwerk der Gegenwart abgeliefert. Ich habe ein paar Zahlen zusammengetragen: Es wurden 40.000 Quadratmeter Teppich verlegt, 6.500 neue Möbelstücke und 4.000 neue Bilder in 1.310 Kabinen, 172 Suiten, Restaurants und andere Eventbereiche verteilt.

Die vier Schiffschrauben und die gesamte Antriebstechnik wurden überholt, auch die Ankerketten – jeweils 345 Meter lang - bekamen ihren Schliff. 119 Tonnen wiegt eine, der Anker – es gibt zwei davon - bringt 23 Tonnen auf die stabile Waage. 116.927 PS bringen den Luxusliner in Fahrt und ermöglichen 30 Knoten oder 56 Kilometer in der Stunde. Und für wen das alles? Natürlich für uns! Die Passagiere die mit diesem herrlichen Schiff auf den Ozeanen, auf legendären Routen unterwegs sein werden. In einem Rausch aus Abenteuerlust und Sehnsucht nach Ferne im Stil einer vergangenen Zeit. Das sich die Menschen genau danach sehnen, zeigt, dass sie die Umgestaltung der Restaurants und Lobbies im Look der 1920er Jahre ganz wunderbar finden. Zudem gut versorgt und unterhalten. Der Weinkeller hütet 17.000 Flaschen des solchen: aus 200 Sorten kann gewählt werden. Auch da kommt Freude auf. Nützt alles nix: Zeit ist Geld und so hieß es vergangene Woche: „Leinen los!“

Bei königlichem Wetter schob sich „das schönste Schiff der Welt“ langsam in Richtung Nordsee. So wie viele andere „Marybegeisterte“ stehe auch ich an der „Strecke“ und schaue QM2 erwartungsvoll entgegen. Je näher sie dem Sandstrand von Övelgönne kommt, um so deutlicher spüre ich diese ganz eigene Faszination, die das Ausnahmeschiff auf mich ausübt. Und da wäre noch dieser Gedanke, der mich seit Stunden beschäftigt: Als Kind hatte ich eine Schiff geschenkt bekommen. Ein Passagierschiff. Es hatte einen dunklen Rumpf und viele weiße Decks. Und es hatte einen roten Schornstein und einen Namen, an den ich mich nicht mehr erinnern kann. Aber es gibt keinen Zweifel mehr: Es war Queen Mary 1. Während ich so erinnere und QM2 zielstrebig elbabwärts fährt, schiebt sich ein gewaltiges Containerschiff an ihr vorbei. Für Fotografen ein Leckerbissen. Schauen sie mal! (Klaus Willem Sitzemann) +++

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