Paralympicssieger im Rollstuhl-Tischtennis

Schulprojekt Selbsterfahrung an der Stein-Schule: In den Rollstuhl, fertig - los

Die Schülerinnen und Schülern der 7f des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums und das sport grenzenlos-Team am Ende von drei gelungenen Projekttagen

04.07.2016 / FULDA - Wie überwinde ich im Rollstuhl sitzend eine Rolltreppe im Hauptbahnhof? Wo finde ich die nächste behindertengerechte Toilette? Wer hilft mir, wenn ich im Drogeriemarkt ein Produkt aus dem obersten Regal benötige, aber nicht aufstehen kann? Mit Fragen wie diesen haben sich die Schülerinnen und Schüler der 7f des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums in Fulda auseinandergesetzt - anhand von Erfahrungen am eigenen Leib. Die Fuldaer Initiative „sport grenzenlos“ des Paralympicssiegers im Rollstuhl-Tischtennis, Holger Nikelis, hatte der Klasse diesen außergewöhnlichen Perspektivwechsel ermöglicht. Es war der Auftakt des neuen Projektes „sport grenzenlos Akademie“, über das Nikelis den Bereich der Kooperationen mit Bildungseinrichtungen wie Schulen künftig noch weiter ausbauen möchte.


Gegliedert in drei Projekttagen erörterten die Schülerinnen und Schüler zunächst mit ihrer Lehrerin Andrea Burgeff theoretische Aspekte des Themas Inklusion. Projekttag zwei führte die Klasse zusammen mit Holger Nikelis und seinem Team in die HUBTEX-Arena, Heimat des Tischtennis-Bundesligisten TTC RhönSprudel FuldaMaberzell. Dort konnten die Kinder eigene Erfahrungen in Sportrollstühlen machen und Tischtennis-Behindertensportlern auf Augenhöhe begegnen. In einem dritten Aspekt verließ die Klasse am Donnerstag, 30. Juni den geschützten Raum „Sporthalle“ und begab sich auf den Straßen Fuldas in den Alltag eines Rollstuhlfahrers.

Ausgestattet mit sechs Rollstühlen, begleitet von sechs Mitgliedern des sport grenzenlos Teams – darunter auch vier Rollstuhlsportler – und aufgeteilt in zwei Gruppen machte sich die 22-köpfige Gruppe von 9 bis 12 Uhr vom Hotel Esperanto aus auf den Weg durch die Stadt. Und dort galt es unterschiedliche Herausforderungen zu bewältigen. So hieß es beispielsweise, im Hauptbahnhof den unkompliziertesten Weg zu den Gleisen zu finden und dabei eine lange, anstrengende Rampe zu meistern, die Größe der Umkleidekabinen in einem Klamottenladen zu testen oder das Kopfsteinpflaster in der Altstadt unfallfrei zu überwinden. „Wir kennen Fulda eigentlich in- und auswendig, aber aus der Perspektive eines Rollstuhlfahrers ist doch alles irgendwie anders“, meinte eine Schülerin nachdenklich. Und ihrem Klassenkameraden war aufgefallen, „dass einen ganz schön viele Menschen anstarren und über einen reden“. Wie man mit Behinderung den Alltag meistern und somit am Ende „ganz normal“ durchs Leben kommen kann, das zeigten die Mitglieder des sport grenzenlos Teams den Schülerinnen und Schülern auf eindrucksvolle Weise.

„Sicherlich gibt es viele Barrieren in der Stadt. Aber mit ein wenig Unterstützung ist vieles möglich“, erklärte
der 38 Jahre alte Künzeller Holger Nikelis der Klasse. Er selbst ist seit einem Badeunfall im Alter von 17 Jahren querschnittgelähmt. „Es ist schon toll zu sehen, wie sich in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler über die Projekttage etwas verändert hat. Die Kinder waren dem sport grenzenlos Team ausgesprochen zugewandt und zeigten sich sehr interessiert. Durch sie begleitet, haben sie die Selbsterfahrung ohne Angst angenommen. Am eigenen Leib konnten sie erfahren, wie man mit Barrieren umgehen lernen und einer Behinderung auch mit Humor und Lockerheit begegnen kann“, sagte die Sportlehrerin Andrea Burgeff begeistert.

Es sind Aussagen wie diese, die der sport grenzenlos Geschäftsführer Holger Nikelis, und sein Team immer wieder hören, wenn sie inklusive Aktionstage an Schulen in Hessen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein veranstalten. „Kinder sind enorm wissbegierig, aufgeschlossen und mutig. Wenn es also darum geht, Berührungsängste gegenüber Menschen mit Behinderungen abzubauen, Aufklärung zu leisten und die Begeisterung für den Sport von und mit Menschen mit Behinderungen zu entfachen, dann sind wir bei ihnen genau an der richtigen Adresse“, sagt Holger Nikelis. Mit der Akademie möchte sport grenzenlos nun die Erfahrungen und Kompetenzen, die sie sich über die vielen Jahre angeeignet haben, noch konkreter bündeln, um Schulen und weiteren Bildungseinrichtungen vielseitige Konzepte anbieten zu können. Im TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell hat die Initiative bereits einen ersten Partner gefunden. „Die Akademie ist eine tolle Idee, um schon die Jüngsten für das Thema Inklusion zu sensibilisieren. Gerade der Tischtennissport kann hier viel bewegen und unterschiedlichste Menschen an einen Tisch bringen , seien sie nun groß oder klein, jung oder alt, behindert oder nicht. Deshalb setzt die Sportschulde Fulda des TTC Maberzell auch einen seiner Schwerpunkte beim Thema Inklusion“, sagt Claus-Dieter Schad, Vize-Präsident des TTC.

Er selbst war es dann auch, der dafür sorgte, dass die außergewöhnlichen Projekttage für die 7f des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums doch noch nicht ganz beendet sind: Er lud die Schülerinnen und Schüler ganz spontan zu einem Heimspiel seines Bundesligateams in die HUBTEX-Arena ein. Für die Kinder wird es der Abschluss eines Projektes sein, das vermutlich noch lange nachwirkt.+++

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