Premiere der „Goldenen Gans“

"Wer die Prinzessin zum Lachen bringt, der bekommt ein halbes Königreich"


Fotos: Erich Gutberlet

01.07.2016 / BAD HERSFELD - Ohne Märchen hätten wir nicht dieses unschätzbare Zeugnis von dem, was Menschen schon immer und überall auf der Welt bewegt hat. Sie transportieren zudem eine universelle Vorstellung von Moral, die in der schlichten Botschaft besteht, dass es sich nicht nur so gehört, rücksichtsvoll und hilfsbereit zu sein, sondern dass es sich auch lohnt. Diese Erfahrung macht der Bauernsohn Dummling in dem Märchen „Die Goldene Gans“, das am Donnerstag im Theater-Zelt im Stiftspark in Bad Hersfeld uraufgeführt wurde.



Franziska Reichenbacher hat das Märchen der Gebrüder Grimm nacherzählt und erstmals auch Regie geführt. Das Theater-Zelt erweist sich als gelungener Spielort, der durch geöffnete Zeltplanen das „Mitspielen“ der Stadtmauer erlaubt. Die variable Bühne ermöglicht den Protagonisten, den kleinen und größeren Märchenliebhabern ganz nah zu sein, die das mit viel Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen honorieren. Auch die Fantasie wird beflügelt. Wird von „einem hilflosen, alten, zitternden Mann“ gesprochen, drehen sich die Köpfe in die gezeigte Richtung. Viele Augenpaare suchen nach dem riesigen Hirsch, bis sich ein Stimmchen erhebt: „Da war keiner“.

Die Kinder fiebern mit, zum Beispiel mit Dummling (Sasha René Bornemann), der sich liebevoll um die gefundene, goldene Gans kümmert, die ihm „Glück bescheren“ soll. Er ist fortwährend der Einzige, der nicht ihr goldenes Gefieder begehrt wie auch seine Brüder Max (Benjamin Wilke) und Theo (Yorick Tortochaux), die sich zudem zum Lachwettbewerb im Schloss anmelden, um zu Ruhm und Ehre zu kommen und die Prinzessin für sich zu gewinnen.

„Wer die Prinzessin zum Lachen bringt, der bekommt ein halbes Königreich und die Prinzessin dazu“, verspricht der König (Alexander Pelz), der sich große Sorgen um sein Töchterchen macht, denn „so eine Traurigkeit gibt es auf der ganzen Welt nicht“. Anrührend das Spiel von Milena Tscharntke, die den Tod ihrer Mutter betrauert und von ihrer Amme (Christina Rohde) ermuntert wird, die Verstorbene loszulassen. Erfolglos. Auch die täglichen Lachübungen und sogar das Kitzeln der Füße reichen nicht aus, die Prinzessin zum Lachen zu bringen. Es ist der Dummling mit seinem reinen Herzen, der sie trotz aller Bemühungen seiner Mitstreiter zum Lachen bringt und letztendlich auch ihr Herz erobert.

Bestens besetzte Rollen mit Schauspielerinnen und Schauspielern, die das Spiel für und mit den Kindern beherrschen und deren Spielfreude sich überträgt, sind Garant für ein bleibendes Theatererlebnis. Hauptakteur ist die wunderschöne goldene Gans, die die kleinen Besucher sicher alle gern mal streicheln wollen. Doch Vorsicht! Alle, die die Gans berühren, hängen an ihr fest, wenn sie nur vom Glanz des Goldes unwiderstehlich angezogen werden. So erging es auch Dummlings Brüdern Max und Theo, die sich letztendlich aber den fiesen Machenschaften des intriganten Kanzlers (Tilo Keiner) widersetzen, der in einem fiktiven, von Hungersnot und Sorgen gebeutelten Königreich die Macht ergreifen will.

Franziska Reichenbacher hat in einer Parallelhandlung das Thema Gier – Gier nach Gold, Gier nach Macht – variiert, um eine zusätzliche Spannung zu erzeugen. Spannend fand das Publikum den einstündigen Ausflug in die Welt der Märchen allemal und lustig war es auch. Wenn die aneinander festhängende Menschenkette zum Schloss zieht und unterwegs gemeinsam mit der Gans ein Bad im eiskalten Wasser des Sees nimmt oder wenn der König vor lauter Freude mit der Amme einen wilden höfischen Tanz aufführt, gewinnt bei aller Ernsthaftigkeit die Komik die Oberhand.

Für Franziska Reichenbacher war es nach eigenen Angaben ein spannender Prozess, die eigenen Figuren auf der Bühne lebendig zu sehen. Obwohl sie unter anderem Theaterwissenschaft studiert hat, als Hospitantin und Assistentin mit großem Respekt immer wieder Einblick in die Regiearbeit hatte, als Schauspielerin selbst auf der Bühne steht und viel Erfahrung als Moderatorin mitbringt, hat sie sich jetzt „zum ersten Mal getraut, es zu wagen“, selbst Regie zu führen. Begeisterter Applaus für das gelungene Regie-Debüt, für die Protagonisten auf der Bühne und das stimmige Gesamtbild. Weitere Informationen zu dem Märchen und Ticketverkauf unter www.bad-hersfelder-festspiele.de. (Gudrun Schmidl) +++

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