"Angst kann man sich auf alles antrainieren"
Die Furcht, von einer Ente beobachtet zu werden - skurrile Phobien
Fotos: pixabay
24.06.2016 / REGION -
Nervenflattern und Schweißausbrüche – die Panik vor Spinnen, zu engen Räumen oder dem Fliegen ist zahlreichen Menschen bekannt. Aber haben Sie schon einmal etwas von der Angst, von einer Ente beobachtet zu werden, gehört? Was im ersten Moment wie ein Scherz klingt, gibt es tatsächlich: Die sogenannte Anatidaephobie. Angeblich stammt die Furcht aus einer Zeit, in der Enten größer waren und daher bedrohlicher auf die Menschen wirkten. Außenstehende bewerten die Verhaltensweise der Betroffenen häufig als paranoid, weil diese sich oft umschauen. Es könne sogar so weit gehen, dass sie aus Angst vor Beobachtung nicht mehr das Haus verlassen.
„Die Angst, von einer Ente beobachtet zu werden, ist ziemlich sicher eine Psychose oder ein Wahn, aber das müsste man erst abklären“, sagt der Fuldaer Experte für klinische Psychologie und Psychotherapie, Dr. Hans-Jürgen Hartmann. Der Grat zwischen einer Phobie und einer Zwangsstörung sei sehr schmal und müsse daher individuell überprüft werden, zum Beispiel, ob ein bestimmtes Ritual vorliegt, denn dann könnte es sich um einen Zwang halten. Jedoch träten Angststörungen prozentual gesehen am häufigsten auf und zwar bereits in der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter.
Die Ursachen von Phobien sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Dazu gehören traumatische Ereignisse, ungelöste Konflikte oder auch anerzogene Ängste aus der Kindheit. Oftmals stecken sogar verschiedene Ängste hinter einer vermeintlichen Angst. „Angst kann man sich auf alles antrainieren. Man muss die Erfahrung nicht einmal selbst gemacht haben, es reicht eine stellvertretende Erfahrung“, erläutert der Psychologe. Im Laufe des Lebens entwickeln acht Prozent der Deutschen eine spezifische Phobie. Das Verhältnis zwischen Männern und Frauen sei dabei 2:1, so der Experte. Diese Relation könnte damit zusammenhängen, dass Männer nach wie vor als das „stärkere Geschlecht“ gelten (wollen) und im Gegensatz zu Frauen nicht so offen darüber sprechen.
Eine weitere skurrile Phobie ist die krankhafte Furcht vor dem Gehen. Hierbei meiden Betroffene die eigene Bewegung oder das Zusehen, sobald sich andere bewegen. Wie diese Phobie zustande kommt, ist nicht genügend erforscht, es könnte sich aber um ein prägendes Erlebnis aus Kindertagen handeln wie beispielsweise ein Sturz oder das Beobachten eines ähnlichen Geschehens.
Es gibt auch Menschen, die sich vor dem Zubettgehen fürchten. Der Fachbegriff dafür lautet Clinophobie. Meist entstehe diese Angst in der Kindheit, wenn Kinder sich vor der Dunkelheit oder Monstern fürchten. Andere Ursachen können Schlafstörungen, Albträume oder die Angst vor dem Tod während des Schlafes sein. Betroffene zögern das Zubettgehen so lange wie möglich hinaus. Eine ähnliche Phobie ist die übersteigerte Angst davor, die Augen zu schließen (Optophobie). An Orten oder bei Situationen, die Betroffene für gefährlich halten, vermeiden sie es, die Augen zu schließen. Genauso gibt es auch hier das Gegenteil, bei dem Phobiker sich nicht trauen, die Augen zu öffnen, weil sie die Situation für zu gefährlich halten oder gewisse Dinge einfach nicht sehen wollen.
Das Vermeidungsverhalten der Angstpatienten hält Dr. Hartmann für nicht förderlich. „Man muss sich immer wieder mit dem angstauslösenden Reiz konfrontieren, damit das Gehirn umlernen kann. Fragen Sie sich, was ist die Befürchtung, was glaube ich, kann mir im schlimmsten Fall passieren? – darin liegt der Schlüssel“, rät der Psychologe. Wenn ich eine Phobie habe, gelte ich dann für mein Umfeld automatisch als verrückt? „Nicht unbedingt“, meint Hartmann, „Ängste sind Specials und das kann auch positiv auf andere wirken, nehmen Sie als Beispiel die Stars.“ Nun sind Sie gefragt. Haben Sie eine skurrile Angst? Erzählen Sie uns Ihre Geschichte. (Helena Lemp) +++