Alle zwei Wochen Drohbriefe
MKK-Landrat Erich PIPA (68) hört 2017 auf: "Hauptgrund die Bedrohungen meiner Familie"
Fotos: Julius Böhm
21.06.2016 / GELNHAUSEN -
Paukenschlag im Main-Kinzig-Kreis. Landrat Erich Pipa (SPD) hat soeben auf einer Pressekonferenz im Main-Kinzig-Forum in Gelnhausen gegenüber der Öffentlichkeit erklärt, dass er nicht erneut zur Landratswahl im kommenden Jahr antreten wird. "Ich bin jetzt im 51. Jahr meines Berufslebens. Man soll aufhören, wenn man am erfolgreichsten ist - und das ist zur Zeit der Fall", sagte der Sozialdemokrat nur zwei Tage nach seinem 68. Geburtstag gegenüber den Medien. Im Juni 2017 will er seine politische Karriere beenden.
Seit 2005 steht Pipa an der Spitze des Main-Kinizig-Kreises. Mit rund 400.000 Einwohnern ist er der bevölkerungsreichste Landkreis Hessens. Zudem ist der Landrat seit 2013 Präsident des Hessischen Landkreistages. "Die Entscheidung zu treffen, aufzuhören, ist mir schwer gefallen. Denn die Arbeit ist nach wie vor mein Leben, Tag für Tag." Der schlussendliche Hauptgrund war aber ein anderer: nämlich die stetigen persönlichen Bedrohungen, die Pipa seit Juli 2015 per Post erhält.
51 Jahre lang ist Pipa im Berufsleben, er sei kaum krank gewesen. „Ein einziges Mal war ich im Krankenhaus Anfang 2015. Mir wurden vier Tumore an der Bauchspeicheldrüse entfernt. Zum Glück waren sie gutartig, aber es hat mir gezeigt, dass alles auch sehr schnell vorbei sein kann - meine Familie kam über die letzten Jahrzehnte immer zu kurz, teilweise war ich 100 Stunden pro Wochen unterwegs. Ich habe noch ein Leben und will nicht vom Amt in den Sarg hüpfen.“
Seit 2014 schreibe der Main-Kinzig-Kreis (MKK) schwarze Zahlen, planmäßig auch in 2016. Von Landesseite gibt es keine wirtschaftlichen Auflagen und für die Main-Kinzig-Kliniken wurde vor kurzem ein Investitionsprogramm mit einem Volumen von 58 Millionen Euro auf den Weg gebracht. „Unser Landkreis steht sehr gut da, ist auf Platz 61 von über 1.000 Kommunen deutschlandweit. Wir haben viel Geld in die Hand genommen, um in Schulen, Krankenhäuser, Internetausbau, Altenpflege, ein Hospiz und Straßen zu investieren. Gleichzeitig wurden unsere 3.000 Vereine und das Ehrenamt gefördert“, zählt Pipa auf, „ich werde aber auch den Rest meiner Amtszeit die Füße nicht stillhalten. Ich habe noch viele Ideen und will noch den ein oder anderen Farbtupfer setzen.“
Mit Stirnrunzeln schaut Erich Pipa auf die große Politik nach Berlin, die nicht seine sei: „Junge Menschen, die eine dreijährige Ausbildung gemacht haben, verdienen 1.100 Euro netto - wie soll man davon leben? Wir brauchen Wohlstand für alle und nicht Reichtum - das bekommen wir nicht hin. Die Politik muss alle Menschen in der Gesellschaft mitnehmen. Aktuell schafft sie das nicht, die Menschen fühlen sich nicht gehört und was dann gewählt wird, haben wir gesehen.“ Kritisch betrachtet er auch den Mangel an Polizeibeamten, Lehrern und Sozialarbeitern. „Die Schuldenbremse ist mittlerweile wichtiger als der gesellschaftliche Zusammenhalt - das ist nicht mehr mein Staat. Ich will eine soziale Marktwirtschaft wie von Ludwig Erhard.“
Was Pipa im Ruhestand machen wolle, ließ er offen. „Ich liebe und lebe die Arbeit. Ich kann mir aktuell auch noch nicht vorstellen, nicht zu arbeiten. Ich weiß noch nicht, was ich mache - aber ich werde etwas machen.“ (Julius Böhm) +++