Eine Insel mit vielen Brücken

Unverzichtbar: das Familienzentrum der Lutherkirchengemeinde

Mehtap Özkaya ...

24.05.2016 / FULDA - In der Pfanne brutzelt Gemüse, aus dem Backofen kommt Kuchenduft. Ein paar Kinder stehen am Tisch und schnippeln Äpfel und Orangen. „Zum Nachtisch soll es Obstsalat geben, sagt Filiz Idge und lacht freundlich. Sie ist eine von drei Müttern, die heute im Familienzentrum das Mittagessen kochen. Die drei Ehrenamtlerinnen tun das mit guter Laune und haben den Laden im Griff, das merkt man.



Im Gemeindehaus der Fuldaer Lutherkirchengemeinde ist vor ein paar Jahren ein Familienzentrum entstanden, manche sagen auch: eine „Insel der Begegnung“. Hier befindet sich die Kindertagesstätte der Gemeinde, zusätzlich kommen jeden Mittag etwa 35 Erst- bis Fünftklässler zum Essen und Spielen her. Diese so genannte „Soziale Gruppenarbeit“ wird von den Sozialpädagogen Martin Ludwig und Lilli Wiens vom Diakonischen Werkes geleitet, die wiederum Unterstützung erhalten von freiwilligen Müttern, die hier täglich am Herd stehen.„Wir sind ein Mix aus professionellen Fachkräften und zahlreichen ehrenamtlichen Akteuren“, erläutert Ludwig. „Die besten Ideen nutzen nichts, ohne die Menschen mit einzubeziehen, um die es geht. Sie beleben die Projekte mit viel Herz und Engagement.“ Das Kochprojekt wird von der Fuldaer Tafel mit Lebensmittelspenden unterstützt und ist Ausgangspunkt für viele weitere Angebote.

Nach dem gemeinsamen Essen bleiben die meisten Kinder zum Spielen im Zentrum, und sie werden bei den Hausaufgaben unterstützt. Fulda Süd ist ein Stadtteil mit relativer Armut, viele Familien haben einen Migrationshintergrund. Eltern mit fehlenden Sprachkenntnissen können ihre Kinder nur schwer bei schulischen Arbeiten unterstützen. Im Familienzentrum versammeln sich aber nicht nur die „Problemfälle“, vielmehr ist die Kinderschar ein bunter Querschnitt unserer Gesellschaft – auch weil die Angebote viele ansprechen. Seit einigen Monaten gibt es etwa eine Kreativwerkstatt, in der munter gehäkelt, gestrickt und genäht wird.

„Wir erfinden ständig neue Kurse“, sagt Filiz Igde lachend. Sie ist seit Anbeginn dabei, das ergab sich, weil ihr Sohn und ihre Tochter die Kindertagesstätte der Gemeinde besuchten. „Die soziale Gruppenarbeit war für mich von Anfang an wie eine Familie.“ Besonders habe ihr und ihren Kindern die Hausaufgabenbetreuung geholfen. „Meine Tochter besucht mittlerweile das Gymnasium“, sagt sie stolz. Viele der kochenden Mütter sind inzwischen Freundinnen – das Zentrum ist auch für sie zur „Insel der Begegnung“ geworden. Die sich übrigens nicht abschotten will. Einmal im Monat etwa werden alle Eltern des Stadtteils zum Elternfrühstück in die Kindertagesstätte eingeladen. Hier ist Zeit für Gespräche und Austausch.

Entstanden ist das Familienzentrum 2011. Gaby Wölffel, die Leiterin der Ambulanten Jugendhilfe des Diakonischen Werks Fulda und Matti Fischer, Pfarrer der Lutherkirchengemeinde, kamen ins Gespräch und erkannten den Bedarf an einer solchen Einrichtung. Unterstützt von der Landeskirche Kurhessen-Waldeck und vom Jugendamt der Stadt Fulda konnten sie das Familienzentrum einrichten, das übrigens auch Ferienangebote macht. In den letzten Herbstferien sammelten die Kinder am Fuldaer Umweltzentrum Äpfel und pressten daraus ihren eigenen Apfelsaft in einer Rhöner Kelterei. Martin Ludwig erläutert: „Wir fragen uns immer: Was brauchen die Kinder, damit wir sie in ihren Entwicklungsprozessen sinnvoll unterstützen? Woran können sie wachsen, und womit können wir sie begeistern?“


Dieser Artikel erschien unter dem Titel „Nachmittagsglück“ zuerst im Diakonie magazin Ausgabe 1/2016. Das komplette Heft kann kostenfrei als PDF heruntergeladen werden: http://www.diakonie.de/diakonie-magazin-01-2016-17077.html   http://www.brehl-backt.de/regionalkiste +++Text und Fotos: Jens Brehl

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