WIELOCHS WIRRE WELT (132):

Keine Hebammen weit und breit: Aufnahmelager für Schwangere im Max-Bahr-Markt



20.05.2016 / REGION - Was haben Ittoqqortoormiit in Grönland, Mêdog in China, Longyearbyen auf Spitzbergen, Iquitos in Peru und Fulda in Osthessen gemeinsam? Richtig: Hebammen sind hier Mangelware. In der Barockstadt werden täglich Schwangere abgelehnt, weil die wenigen Hebammen völlig überlastet sind. Der schlechten Bezahlung und horrenden Berufshaftpflichtversicherungen sei Dank. Das mag zunächst besorgniserregend klingen, aber es gibt auch gute Nachrichten für Hochschwangere: Eine Brustvergrößerung, Fettabsaugen an Bauch, Beinen und Po oder eine Anti-Falten-Behandlung klappen sogar in Fulda von heute auf morgen.

30 stichprobenartige Anrufe in heimischen Hebammenpraxen und Krankenhäusern haben derweil gezeigt, dass es um die regionale Geburtshilfe doch nicht so schlecht bestellt ist wie allgemein angenommen. In 17 Fällen erhielt unsere im achten Monat schwangere Testkandidatin bereits im Februar 2017 einen Entbindungstermin, neun Mal wurde sie vertröstet, sich zwecks Terminabsprache noch einmal Anfang November zu melden, und lediglich in vier Fällen verwies man unsere Anruferin trotz vorgetäuschter Wehen an eine Hotline in Budapest, um sich in einem Rutsch auch noch gleich für wenig Geld die Zähne und die Lachfalten machen zu lassen.

In unserem zweiten Szenario kontaktierte ein Privatpatient ebenfalls 30 Arztpraxen in der Region wegen laufender Nase und leichter Erkältungssymptome: 22 Mal wurde der umgehende Transport per Rettungshubschrauber in eine Privatklinik veranlasst, in sechs Fällen dauerte es immerhin 20 Minuten, bis der Notarzt per Auto eintraf, und lediglich zwei Mal wurde dem Kranken zum Inhalieren mit Kochsalzlösung geraten.



Der Landkreis Fulda hat in den vergangenen Tagen im ehemaligen Max-Bahr-Markt nach dem Auszug der Flüchtlinge ein Erstaufnahmelager für deutsche Schwangere eingerichtet. Als Hebammen arbeiten hier Ein-Euro-Jobber, die innerhalb eines dreitägigen Volkshochschulkurses penibel auf die Geburtshilfe vorbereitet wurden. Allerdings steht der neue Standort für Entbindungen bisher unter keinem guten Stern und stellt die Neu-Hebammen vor ein riesiges Rätsel: Die ersten elf Jungen und Mädchen kamen alle ohne Zähne auf die Welt. Der Landkreis will deshalb Bodenproben entnehmen lassen um herauszufinden, ob hier der Grund für die fehlenden Beißerchen begraben ist. Ab kommendem Montag stellt der zuständige Caterer zudem sein Essen in der Mutter-Kind-Kantine unter anderem auf Kaiserschmarrn um. „Traurig, aber selbst Neugeborene sind inzwischen extrem wählerisch“, kritisiert die zuständige Ernährungsberaterin im Schwangeren-Aufnahmelager. Mehr als 98 Prozent der Kinderteller mit Fleischgerichten seien in den vergangenen Tagen nahezu unberührt zurück in die Küche gegangen. (Jochen Wieloch) +++

X