Es war einmal ... (7)
Skispringen in Osthessen ... Eine Sportart vom Winde verweht
Foto: Ferdinand Zimmermann
18.04.2016 / SPORT -
Wer erinnert sich nicht an Gerd Müllers goldenes Tor von 1974? Oder an Boris Beckers historischen Sieg in Wimbledon? Sportliche Höhepunkte, die in die Geschichte eingingen. Doch nicht nur auf der großen Bühne des Sports, sondern auch im Kleinen gab es Momente, die mehr oder weniger präsent im Bewusstsein sind. "Es war einmal ..." ist eine Rubrik, die verblasste Erinnerungen an besondere Ereignisse oder Veranstaltungen wecken soll. Teil sieben unserer Serie erzählt die Geschichte des Skispringens in Osthessen – einst eine strahlende Sportart, heute vom Winde verweht.
Die Idee, in Bermuthshain Skispringen zu betreiben, so erzählt Luft, hätten damalige Flüchtlinge aus den Ostgebieten mitgebracht. „In Bermuthshain gab es nur die Fußballer und wir haben eigentlich ausschließlich Langlauf betrieben, etwas anderes gab es nicht“, sagt Luft, der aus einer durch und durch ski-begeisterten Familie stammt und dessen persönlicher Rekord bei 28 Metern liegt. Erste Sprünge machten die Bermuthshainer auf dem Hoherodskopf und hatten fortan Blut geleckt. Beim benachbarten TSV Grebenhain existierte bereits eine Wintersport-Abteilung, sodass Werner Luft und seine Kameraden kurzerhand in den Verein eintraten und das Skispringen forcierten. Auf dem „Höllerich“ wurde zunächst durch Jugendliche 1953 eine erste kleine Schanze errichtet.
Ab den 80er Jahren ging es jedoch mit dem Skispringen bereits abwärts: die Winter brachten nicht mehr genügend Schnee und die Matten für das Springen im Sommer hätten sich nicht bewährt. „Die Schanze war oft nicht benutzbar“, sagt Luft über eine der letzten hölzernen Schanzen Deutschlands. Es entstand eine rege Debatte, was künftig mit der Schanze passieren solle. Ein Abriss konnte verhindert werden und die Anlage wurde 2003 unter Denkmalschutz gestellt. Anstelle des Schanzentisches wurde drei Jahre später eine Plattform errichtet – mit einem herrlichen Blick über Bermutshain und den Vogelsberg.
Seit 1955 stand in Ortsnähe die Grasbergschanze, eine Naturschanze erbaut in über 1.000 freiwilligen Arbeitsstunden. Zuvor wurde auf aus Schnee gebauten Schanzen in der Nähe des Guckaisees gesprungen. Mit der vorschriftsmäßigen Schanze erlebte das Skispringen in Poppenhausen einen Aufschwung und die Grasbergschanze wurde zum sportlichen Mittelpunkt des Ortes. „Das war eine tolle Atmosphäre an der Schanze. Hunderte Zuschauer kamen, es wurde gegrillt und getrunken. Einfach eine tolle Zeit“, erinnert sich Bub, der im Laufe seiner Karriere mehrmaliger Hessenmeister wurde und auch an den deutschen Jugendmeisterschaften in Nesselwang teilnahm. Der Schanzenrekord der Grasbergschanze, auf der überwiegend Bezirks- und Vereinsmeisterschaften ausgetragen wurde, liegt bei 29 Metern. Aufgestellt von Bubs Neffen Andreas Bub, dem erfolgreichsten Springer des TSV Poppenhausen.
In all den Jahren, in denen sich Thomas Bub die Schanzen hinunter stürzte, sei so gut wie nie etwas Schlimmeres passiert. „Ich habe mir mal die Nase gebrochen. Aber beim Fußball habe ich mich mehr verletzt“, lacht Bub, der in den Sommermonaten bei den Fußballern des TSV mitmischte. „Und das trotz dem schlechten Material und der geringen Sicherheit, die es damals gab.“ Als Förderer des Skispringens in Poppenhausen erwiesen sich Manfred Storch und Bernhard Winheim, die als Trainer zahlreiche Springer ausbildeten und das 2.600 Seelen-Dorf zu einer Skispringerhochburg in der Rhön machten.
Die Schanzen in Poppenhausen und Bermuthshain waren nur zwei von zahlreichen, die es in Osthessen und der Rhön gab. Weitere Anlagen standen bei Gersfeld (Kälberrainschanze, Simmelsbergschanze und Reesbergschanze), auf dem Hoherodskopf (Kurt-Moosdorf-Schanze), in Oberweißenbrunn (Schachenbergschanze), in Wüstensachsen (Hohenrainschanze) und in Weiperz (Rödchenschanze). Die einzigen Schanzen, auf denen noch aktiv gesprungen wird, sind die Kreuzbergschanzen bei Bischofsheim (Rhön). Die Überbleibsel der Anlagen wie in Poppenhausen oder Bermutshain sind die stillen Zeugen einer Zeit, in der Skispringen in der Region einen hohen Stellenwert hatte. Eine Sportart, mittlerweile vom Winde verweht. (Tobias Herrling) +++