WIELOCHS WIRRE WELT (114)
Jetzt nervt der nächste faule Drückeberger: Schnee stellt Asylantrag für 72 Stunden
Montage: Nicole Wagner
15.01.2016 / REGION -
Ausländische Drückeberger, die vor überschüssiger Energie nur so strotzen, unsere Kultur mit Füßen treten, Party feiern und es sich hier so richtig gut gehen lassen, während ihre Freunde zu Hause krepieren. Es gibt selten eine derart gute Steilvorlage wie diese Woche von Bad Hersfelds Bürgermeister, die eigentlich eine glossistische Aufarbeitung verdient hätte. Doch nach stundenlangen Überlegungen kommt man zum Ergebnis: Sprachlich und inhaltlich zieht man auf diesem Niveau garantiert den Kürzeren. Deshalb widmen wir uns ausnahmsweise einem wirklich bedeutsamen Thema: dem Wetter.
Für Mitte Januar steht in den kommenden Tagen ein geradezu traumatisierendes Ereignis bevor, das Medien und Wetterdienste zu Eilmeldungen, Sondersendungen, Katastrophenszenarien und Unwetterwarnungen hinreisen lässt: Schnee, und wenn es ganz verrückt läuft sogar Frost. Für alle, die erst in den 90er Jahren oder später in Osthessen das Licht der Welt erblickt haben: Bei Schnee handelt es sich um feine Eiskristalle und eine Form von Niederschlag. Frost bezeichnet entweder Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts oder das Bad Hersfelder Rathaus, wobei man hier laut Fachterminus von Dauerfrost spricht. Treten Frost und Schnee einfach so im Doppelpack im Januar auf, ist es nur logisch, dass die Welt aus den Fugen gerät. Jetzt greifen feste Notfall-Schemata: Der Deutsche Wetterdienst gibt traditionell eine Unwetterwarnung für mindestens 72 Stunden heraus: Orkanböen mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 220 Stundenkilometern drohen, dazu Starkschnee und Schneeverwehungen bis zu 1,80 Meter Höhe im Flachland. Die Bürger – in der Lullusstadt zumindest solche mit deutschem Pass – sollten zu Hause bleiben, um sich bei Temperaturen bis minus 38 Grad Celsius keine Erfrierungen zu holen.
Nachrichtenportale springen dankbar auf dieses Thema auf: „EILMELDUNG: Schneechaos im Anmarsch“ heißt es im Laufbanner. Survival-Trainer verraten Tipps, wie man sich aus einer Lawine im Vorgarten befreit, Katastrophenschutz-Beauftragte raten zum Kauf von Kerzen, Sturmfeuerzeugen und unverderblichen Lebensmitteln für mindestens zwei Wochen. Klimaforscher erzählen, dass letztmals 1873 so viel Schnee innerhalb von zwei Stunden gefallen sei. Und tausende besorgte Eltern und Schüler kontaktieren die Redaktionen mit einer Frage: „Findet morgen der Unterricht statt?“ Die Antwort geben Erziehungsbeauftragte und ihr Nachwuchs bei Facebook gleich selbst: „Unzumutbar!“ – „Unverantwortlich!“ – „Das wäre Wahnsinn!“ Seitenweise werden hunderte Bilder von Lesern aus den heimischen Landkreisen veröffentlicht, die eindrucksvoll dezent gezuckerte Wiesen und Gebirge zeigen, die unter einer weißen Masse förmlich ersticken, wie etwa der Kaliberg in Neuhof oder eine Platte Streuselkuchen mit Schlagsahne.
Jetzt trudeln erste offizielle Statements ein: von Schulleitern, von Nahverkehrsgesellschaften, vom Landrat und dem Schulamtsdirektor. Bis 18 Uhr heißt es, man sei auf alles vorbereitet, der Unterricht findet wie geplant statt. Um 20 Uhr lautet die Vorgabe, am nächsten Morgen um 6 eine Entscheidung treffen zu wollen. Nachdem mehr als 40.000 Mal auf Facebook von Schülern, die noch keine Hausaufgaben gemacht haben, die Aussage veröffentlicht wurde „Muss denn erst was passieren, bis die Verantwortlichen reagieren?“, kommt gegen 21 Uhr dann die nächste Eilmeldung: „Der Unterricht fällt die nächsten drei Tage aus.“
Nach drei vermeintlichen Horror-Tagen ziehen dann alle Bilanz: Die Straßen-Gastronomie in der Fuldaer Innenstadt hat geboomt, noch nie haben die Eisdielen so früh geöffnet. Schlittschuhlaufen im Schlossgarten war leider nicht möglich, zu mild. Die Lifte auf der Wasserkuppe stehen immer noch still. Und die Medien titeln: „Der wärmste Winter seit 1763“. Kleiner Tipp zum Abschluss: Sollten Sie nächste Woche im Freien grillen wollen – seien Sie vorsichtig, akute Wald- und Sonnenbrandgefahr! (Jochen Wieloch)+++