PresseFoto-Wettbewerb (2)
"Niemals die Wirkung von Bildern unterschätzten" - Plädoyer für Profi-Fotoreporter
Foto: Rolf Skrypzak
30.11.2015 / ERFURT -
Wir zeichnen mit den Preisen, die wir nachher vergeben, keine Laienfotografen aus. Aber wir zeichnen auch keine Studio-Fotografen aus. Wir wollen jene Kollegen ins Scheinwerferlicht holen, die nicht nur ausgezeichnete Fotografen, sondern auch ebensolche Journalisten sein müssen. Professionelle Fotoreporter müssen nicht nur dafür sorgen, dass das Foto gut aussieht, sie müssen auch einschätzen können, welchen Augenblich die Nachwelt braucht, um die Ereignisse von heute richtig zu erinnern. Sie müssen erkennen, welches Bild die größte Wucht, die stärksten Emotionen, den nachhaltigsten Eindruck transportiert – und dafür kämpfen, dass die Leser und Nutzer dann auch genau dieses Bild in den Zeitungen, Magazinen und Newsportalen zu sehen bekommen.
Doch ob fest oder frei: Der Druck, unter dem die Kollegen liefern müssen, steigt kontinuierlich:
Der Bildjournalist soll die Flüchtlingskrise illustrieren?
Bitte, aber spätestens eine Stunde nach Terminbeginn sollen die sortierten und bearbeiteten Bilder in der Redaktion sein.
Der Kollege soll eine Pressekonferenz abbilden?
Gern, aber das ist ja nun nicht so aufwendig, da kann er doch den Text gleich mitliefern.
Der Kollege weigert sich, für 5 Euro pro Bild zu arbeiten?
Nun, bitte sehr, die Schlange derjenigen, die den Job für weniger machen, ist lang.
Sich Zeit zu nehmen, ist für die Kollegen heute fast unmöglich. Doch für ein Bild, das nicht nur zeigt, was ist, sondern auch, was war und sein wird – und wie es einzuordnen ist – braucht auch ein Profi Zeit. Zeit, um das Vertrauen der Abgebildeten zu gewinnen, damit sie sich öffnen und ein „echtes“ Bild zulassen. Zeit, um mit Licht und Perspektive zu experimentieren und so die Bildaussage auch durch die äußere Form zu unterstützen. Zeit, um auf den richtigen Moment zu warten, der das eine Bild hergibt, das die anderen nicht haben. Zeit für Kreativität. Zeit für Professionalität. Zeit, die sie meistens nicht haben.
Schlecht bezahlt und unter Druck: Allein diese Entwicklung wäre für uns Grund genug, mit unserem Foto-Wettbewerb um Ihre Aufmerksamkeit zu werben. Um Sie darauf hinzuweisen, wie die Menschen arbeiten, die Ihr Bild von der Welt maßgeblich mit gestalten. Doch in letzter Zeit sind schlechte Arbeitsbedingungen zunehmend in den Hintergrund gerückt. In letzter Zeit sehen sich auch professionelle Bildjournalisten anderen, bedrohlicheren Problemen gegenüber. Übergriffe am Rande der Pe- und sonstigen -gida-Demonstrationen sind hinlänglich dokumentiert. Einzelne Redaktionen schicken Ihre Mitarbeiter nur noch mit Sicherheitsleuten zur Berichterstattung. Andere verzichten zumindest darauf, das Logo Ihrer Redaktion offen sichtbar zu tragen, wenn sie die Demonstrationen dienstlich begleiten. Es gibt Kollegen – auch im Lokalen, außerhalb der Zentren – die sich plötzlich mit Hassmails und Drohungen konfrontiert sehen, weil sie einfach ihre Arbeit machen.
Und trotzdem setzen sie sich dem jede Woche wieder aus, genauso wie die schreibenden und filmenden Kollegen. Weil sie es als ihre Aufgabe betrachten, zu informieren – damit Sie sich eine Meinung bilden, damit Sie fundiert handeln können. Sie knicken nicht ein. Nicht vor den Drohungen und Übergriffen und nicht vor schlechter Bezahlung und ständigem Druck. Und trotzdem ist ihre Zukunft ungewiss. Ob es in einigen Jahren noch hauptberufliche Bildjournalisten geben wird – also Menschen, die ihr Geld wirklich hauptsächlich damit verdienen, dass sie die Entwicklung der Welt dokumentieren, wie sie ist, und nicht so, wie einzelne Akteure sie gerne zeigen würden – ist ungewiss.
Und genau deshalb haben die Landesverbände Hessen und Thüringen im Deutschen Journalisten-Verband diesen Wettbewerb ins Leben gerufen. Weil wir daran glauben, dass die Medien professionelle Bildjournalisten brauchen, um ihrem Auftrag zur Meinungsbildung und Information gerecht zu werden. Dass wir das tun können und zwar in einem festlichen Rahmen wie diesem – jedes Jahr – verdanken wir Menschen, die bereit sind, Geld und Zeit und Kraft zu investieren, um mit uns diesen Wettbewerb auszurichten.
Deshalb freue ich mich sehr, dass sie heute hier sind:
• Der Schirmherr unseres Wettbewerbs und Hausherr hier im Thüringer Landtag, Christian Carius
• Matthias Haupt und Dr. Jürgen Hanke als Vertreter unseres Hauptsponsors, der Sparkassen-Finanzgruppe Hessen-Thüringen
• Evelyn Dörr von der Dörr Group, die in diesem Jahr als neuer Sponsor hinzu gekommen sind
• Ulli Isselbächer, ein Förderer der ersten Stunde
• Gregor Sommer als Vertreter der Firma Minox
• Zum ersten Mal dabei, weil ganz neu im Amt: Der neue DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall
• Und vor allem: all die professionellen Bildjournalisten, die am Wettbewerb teilgenommen haben und heute hier sind
Die Förderer, aber auch Sie alle, die sich an einem solchen Abend Zeit nehmen, um mit uns die Preise für den PresseFoto-Wettbewerb 2015 zu verleihen, teilen unseren Glauben daran, dass der Journalismus und die Demokratie professionellen Bildjournalismus brauchen. Sie unterstützen uns dabei, diese Botschaft in die Welt zu tragen – und ich kann Ihnen sagen, auf manchen Ohren ist die Welt ziemlich lange ziemlich taub.
Man mag einwenden, dass es ja immer noch die Texte gebe – selbst wenn sie eines Tages nicht mehr oder nur noch durch miserable Fotos illustriert werden. Wenn Sie das so ähnlich sehen, lade ich Sie ein zu einem Experiment: Gehen wir nachher gemeinsam durch die Ausstellung, aber Sie schließen dabei die Augen. Bei jedem Bild erzähle ich Ihnen, was zu sehen ist. Danach schauen Sie sich in einem eigenen Rundgang die Bilder an. Und dann sagen Sie mir: Welcher Rundgang wird Ihnen länger im Gedächtnis bleiben? Von welchem werden Sie in einem Jahr mehr Details erinnern? Welcher hat Sie stärker berührt, zum lächeln, schlucken oder nachdenken gebracht?
Unterschätzen wir niemals die Wirkung von Bildern. Und unterschätzen wir nie, was nötig ist, um sie zu produzieren. Stehen Sie mit uns vor, hinter und Seite an Seite mit den professionellen Bildjournalisten, deren Arbeit wir heute mehr brauchen denn je".