Überwältigendes Interesse
Bürgerversammlung mit dem „Thema Flüchtlinge“
19.11.2015 / ERLENSEE -
Bei der Parkplatzsuche rund um die Erlenhalle konnte man es schon ahnen; diese Bürgerversammlung ruft großes Interesse der Erlenseer Bürgerinnen und Bürger hervor. So war der kleine Saal der Erlenhalle auch bis „über den letzten Platz“ gefüllt, zusätzliche Stuhlreihen halfen zwar, aber die zuletzt Gekommenen mussten trotzdem mit einem Stehplatz vorliebnehmen. Alle etwa 180 Anwesende wollten wissen: Wie sieht die in den Medien so präsente teilweise mit bewegenden Bildern kolportierte Flüchtlingsthematik hier bei uns vor Ort aus.
„Na, heute Abend werden wir es ja erfahren!“ konnte man denn auch hören, wenn man sich der Erlenhalle näherte. Fast pünktlich um 19:00 Uhr ergriff der Stadtverordnetenvorsteher Uwe Laskowski das Wort, begrüßte alle Anwesenden und stellte fest, dass er bei dieser außergewöhnlich hohen Beteiligung der Bevölkerung wohl das richtige Thema für die Bürgerversammlung gewählt hätte. Im Folgenden machte er einige Grundregeln einer Bürgerversammlung deutlich, betonte besonders den Punkt, dass diese Zusammenkunft keine Weltpolitik machen oder diskutieren könne, sondern dass es nur um die spezielle Situation, den Umgang Erlensees mit den zugewiesenen Flüchtlingen und die entsprechende Bürgerinformationen hierüber gehen könne.
Dann übergab er das Wort an Bürgermeister Stefan Erb. Dieser berichtete: "Momentan sind 161 Flüchtlinge von unserer Kommune zu betreuen. Das sind gerade einmal 1 Prozent der Gesamtbevölkerung Erlensees". Damit wurden die Relationen gleich deutlich. "In den nächsten Monaten werden noch einmal so viele Flüchtlinge dazu kommen, was Erlensee auf 2Prozent Flüchtlinge, in etwa der Durchschnittszahl des Main-Kinzig-Kreises, bringen wird. Bei den Anstrengungen der lokalen Unterbringung kann ich mich nur bei meinen umsichtigen und höchst effektiven Team, allen voran Herr Reiner Mayer, Leiter des Fachbereiches Familie und Soziales und Frau Yasemin Bülbül aus dem gleichen Fachbereich bedanken".
"Auch der finanzielle Aufwand für die Stadt ist sicher von großem Interesse für alle Erlenseer, Ich kann ihnen hier versichern, dass die von der Stadt aufzubringenden Beträge durchaus überschaubar sind. Wir können privaten Wohnraum im Ort gewährleisten und so am einfachsten auch die nötige Betreuung initiieren. Diese Betreuung, besonders Sprachkurse, kann allerdings nicht auch noch von meiner Verwaltung geleistet werden, sondern kommt, glücklicherweise für Erlensee, von freiwilligen Helfern der gegründeten Flüchtlingshilfe, Nachbarn oder schon existierenden Erlenseer Internationalen Vereinen. Das von Ministerpräsident Bouffier ausgegebene Ziel, dass aus Flüchtlingen Mitbürger werden, ist ehrenwert, aber leider werden in Sachen Betreuungsleistungen vom Land keinerlei Mittel zur Verfügung gestellt. Hier spielt das Ehrenamt eine große Rolle".
"An der Georg-Büchner-Schule helfen Schüler bei allen aufkommenden Fragen den „neuen jugendlichen Mitbürgern“, Familien helfen Familien, es gibt organisierte Basare speziell für Flüchtlinge und andere Bedürftige, die auf Basisbedarf ausgelegt sind (Sofas, Fahrräder etc.) Durch Anzeigen sucht die Stadt ständig neuen Wohnraum im Ort anzumieten oder zu kaufen. Deutschkurse werden benötigt, für alle, möglichst von der ersten Woche an, damit sich die Neuankömmlinge unverzichtbare Basiskenntnisse aneignen können.“ Fasst der Bürgermeister die Situation zusammen.
All diese Maßnahmen Initiativen und Anstrengungen blieben bei den schon länger in Erlensee wohnenden Flüchtlingen und Neubürgern nicht unbemerkt:
Anita Losch von der Flüchtlingshilfe Erlensee und Yasemin Bülbül vom Fachbereich Familie und Soziales stellten zwei Flüchtlinge - Ahmad Monir Hamnawa aus Afghanistan und Mostafa Alhatem aus Syrien – vor. Ahmad Monir Hamnawa sprach in respektablen Deutsch über seine Beweggründe, die ihn schließlich in Erlensee eine neuen Heimat haben suchen lassen: „Wer wie wir in einem Land lebt, bei dem die schrecklichen Vorkommnisse wie gerade in Paris passiert, praktisch jeden Tag irgendwo vorkommen, wer sein Leben und das seiner Familie täglich bedroht sieht, dem bleibt nur die Flucht aus dieser lebensbedrohenden Umgebung, denn Hoffnung ist nicht in Sicht.
Wir haben uns nicht mal eben schnell entschlossen, unsere Heimat zu verlassen; ich hatte ein gutes Leben und eine gute Arbeit nach dem Studium, aber dann kam der alles zerstörende Krieg. Jetzt sind wir, nach teilweise tagelangen Fußmärschen durch die Türkei und Griechenland, nach Erlensee gekommen und haben hier eine neue Heimat gefunden. Ich spiele Fußball beim FC Erlensee, lerne Deutsch, weil ich meinen Master in Wirtschaftswissenschaften machen und dann einen entsprechenden Beruf ergreifen will. Gleichzeitig bin ich schon dabei, meinen Trainerschein zu machen, so dass ich bald die Erlenseer Jugendmannschaften trainieren kann.
Ich tue das, weil ich wie viele denke: Für das Land, die Gemeinschaft, die mir Schutz geboten hat, muss ich auch was tun, eine Gegenleistung bringen. Meine Familie und ich, wir sind glücklich, dass wir in Erlensee wohnen.“ Mit dem Applaus des anwesenden Publikums für diese Worte fand der Teil der Bürgerversammlung mit dem Thema „Flüchtlinge in Erlensee“ einen Abschluss. +++