NACHGEDACHT 147

Darf man Menschen abschreiben? - Gedanken von Christina LEINWEBER



01.11.2015 / REGION - Die Zeit der Inventuren beginnt so langsam – die Unternehmen schreiben Wertgegenstände ab. „Abschreiben“ bedeutet hier eine Wertminderung, es könnte aber auch „wegstreichen“ bedeuten. Mit Gegenständen erscheint mir das sehr einfach, doch wir haben auch in unserem Sprachgebrauch eine andere, interessante Redensart, die fast floskelartig daherkommt: „Die Freundschaft hab ich abgeschrieben!“ Also können wir auch Menschen aufgeben und sie einfach aus unserem Leben streichen?



Ich weiß nicht, ob es im christlichen Sinne wäre, Menschen für sich „sterben zu lassen“. Es müssten schon sehr gewichtige Gründe angeführt werden, die dazu veranlassen, jemanden nicht mehr sehen zu wollen – aus dem Leben zu streichen. Man erinnere sich mal an Jesus: Er ist gerade immer zu den Menschen gegangen, die längst aus der Gesellschaft gestrichen waren. Mit den Ausgestoßenen hat er sich vornehmlich beschäftigt. Und auch seine Gleichnisse machen deutlich: Wir können auch Irrwege gehen, aber die Hauptsache ist, wir kommen in die Liebe Gottes zurück.

Nur leider komme ich gerade diese Wochen an meine Grenzen. Wie geht man mit Menschen um, die Kinder ermorden, die Kinder quälen? Wir haben alle die grausame Nachricht von den zwei toten Jungen gehört. Wie soll man mit einem solchen Menschen, der sich so gegen den Sinn Gottes, gegen die Liebe zum Nächsten stellt, anders umgehen, als ihn abzuschreiben? Würde Jesus auch diesen Mann besuchen? Wird er ihn irgendwann dafür büßen lassen? Wie lange ich auch darüber nachdenke, es treten immer mehr Fragen und immer weniger Antworten hervor. Und das Schlimmste daran ist, dass wir dieses Nachdenken und „Nichtwissen“ alle im Leben aushalten müssen: Das Leid ist schmerzhaft unerklärlich. +++

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