„Willste die Freundin ned gleich ämol froch..."

Plantanz, Ploatz und Göggerschlagen: Kirmes in Unterweißenbrunn



19.10.2015 / BISCHOFSHEIM - „Papa, du bist heut´ ganz wichtig“, raunte die kleine Jule ihrem Vater Kurt Viernickel zu, bevor er mitsamt Mikrofon wieder in die Mitte des Unterweißenbrunner Dorfplatzes trat. Hier hatten sich am Sonntag 27 Kirmespaare versammelt, die - allesamt aufs Festlichste herausgeputzt – den Zuschauern eine alte Rhöner Tradition präsentierten. Der Rhöner Begriff „Kirmes“ kommt von Kirchweih, so begann das Spektakel am Nachmittag natürlich mit einem Gottesdienst und im Anschluss zogen die Kirmespaare, angeführt von der Unterweißenbrunner Musikkapelle samt Schubkarre und Göggerträger, zum Dorfplatz, aus dessen Mitte bereits unübersehbar der Kirmesbaum aufragte.

Als die Kirmespaare ihre ersten Tänze aufgeführt hatten, stellte Kurt Viernickel die jungen Leute vor. Er macht das bereits seit zehn Jahren und hat allerlei forsche Sprüche parat. Jedes einzelne Paar wird vorgestellt, und muss auch auf die eine oder andere peinliche Frage antworten. Ob er denn friere, fragte Viernickel einen jungen Mann, der nur ein Oberhemd am Oberkörper trug und riet ihm zum warmen Unterhemd, auf das er im Laufe der Veranstaltung immer wieder hinwies.

Ein anderer wurde nach dem Alter gefragt und mit 25 Jahren bereits als altes Eisen abgestempelt. „Das ist das Alter, in dem man ruhig mal heiraten kann“, empfahl Viernickel. „Willste die Freundin ned gleich ämol froch, die Gelegenheit wär´ grod günstig“, bot er dem jungen Mann gleich die Chance, der jedoch dankend abwinkte, seine Freundin hätte da auch schon immer solche Anwandlungen, er sei noch standhaft. Nach dem Heiratsantrag fragt Viernickel gerne, vor einigen Jahren traf er auf ein Paar, das später fragte, woher er das gewusst hätte, die Hochzeit fand im darauf folgenden Jahr statt.

Jedoch ist auch die Herkunft der einzelnen Beteiligten eine wichtige Sache und wirklich kamen sie nicht nur aus Unterweißenbrunn und den Bischofsheimer Ortsteilen, sondern sogar aus Oberelsbach, Weisbach, Hohenroth, Rödelmaier, Schmalwasser, Waldberg und den hessischen Orten Gersfeld und Rengersfeld. Die Gäste aus Hessen spielten auch keine unwesentliche Rolle beim für die Zuschauer beliebten Schubkarrenrennen. Seit Jahren besuchen sich die Kirmesgesellschaften gegenseitig und so waren am Sonntagnachmittag Poppenhausen/Rhön, Friesenhausen, Giechenbach und Steinwand vertreten, die natürlich beim Schubkarrenrennen alles gaben.


Wanderpokal geht nach Hessen


Während die Kirmesmädchen den mitgebrachten Ploatz unter den Zuschauern verteilten, schoben die jungen Männer eine hölzerne Schubkarre samt Passagier über einen Slalomkurs bis zum Kirmesbaum, wo der Passagier ein Würstchen ergattern und der Schieber einen Schnaps trinken musste. Dann wurde der Karren über eine Wippe balanciert und wieder zum Ausgangspunkt zurück geschoben. Wer die Rasengittersteine des Unterweißenbrunner Dorfplatzes kennt, weiß was die Teilnehmer mit ihrem Karren mit hölzernem, eisenbereiftem Wagenrad hier leisteten. 

Kurt Viernickel heizte die Stimmung an und feuerte die Lokalmatadoren an, jedoch gewannen zu seiner großen Enttäuschung zwei junge Männer aus Friesenhausen. Recht hemdsärmelig überreichte er ihnen eine große hölzerne Löbbe, den Unterweißenbrunner Wanderpokal, auf dem die Namen der Gewinner aus den letzten Jahren eingebrannt sind. „Da habt ihr euren Gewinn und nun geht, bringt ihn nächstes Jahr wieder mit“, waren die kurzen Worte.

Vor dem nächsten Spiel zogen fünf Kindertanzpaare um den Kirmesbaum, mit denen Ramona Zimmermann, Lena Schrenk, Regina Kleinhenz und Anna Martin Tänze einstudiert hatten. Auch die Kinder bekamen großen Applaus für ihre Leistung. Als sie von Kurt Viernickel vorgestellt wurden, gaben die Buben wie ihre großen Kollegen auch einen Kirmesschrei zum Besten und ehrlicherweise muss man sagen, dass sie so manch einem der Großen etwas vormachten. Das lag wahrscheinlich daran, dass die Kinder die letzten beiden Nächte schlafend verbrachten, im Gegensatz zu den Großen, die ja bereits die Kirmes gefeiert hatten.


Gögger-Schlagen

Wer einmal in Unterweißenbrunn die Kirmes besucht hat, weiß, dass man hierfür etwas Zeit mitbringen sollte. Und so ist eine weitere Attraktion das Gögger-Schlagen, bei dem einige junge Männer mit einer langen Stange und verbundenen Augen auf dem Platz nach einem Hahn tasten müssen. Wer ihn als erster gefunden hat, gewinnt. Natürlich ist es kein lebendiges Tier und auch das „Schlagen“ ist nur ein vorsichtiges Stochern, denn es soll ja auch kein umstehender Zuschauer zu Schaden kommen. Zur Freude Viernickels siegte hier ein Unterweißenbrunner und die Welt war wieder in Ordnung.

Zum Abschluss tanzten die Kirmespaare nochmals um den Platz, bevor es im kleinen Festzug zurück zum Festzelt am Sportplatz ging, wo der Gögger dann noch versteigert wurde. Dessen Erlös kommt selbstverständlich der Kirmesjugend zugute.


Tanzende Paare 

Michael Kern und Lisa Johannes, Patrick Seuffert und Christina Zimmermann, Sebastian Korb und Selina Korb, Julian Wallrab und Anna Räder, Philipp Krapf und Hannah Wallrab, Christoph Martin und Heike Zimmermann, Oliver Seuffert und Lisa Mai, Christoph Korb und Theresa Schubert, Stefan Seifert und Rebecca Suckfüll, Markus Zimmermann und Luisa Kleinhenz, Niko Bauer und Linda Kleinhenz, Thomas Voll und Celine Keßler, Lukas Erlebach und Sarah Wirsing, Frank Luger und Katharina Beer, Marco Luger und Tina Voll, Peter Günther und Janina Enders, Niklas Walter und Katrin Günther, Stefan Englert und Linda Reichert, Jonas Fries und Selin Weisenseel, Simon Voll und Julia Zimmermann, Tobias Söhner und Isabell Werner, Andreas Schubert und Lea Wallrab, Jochen Schöppner und Ramona Zimmermann, Johannes Neumann und Regina Kleinhenz, Jürgen Zimmermann und Anna Martin, Florian Mai und Selina Hehn, Lukas Fries und Lena Schrenk.


Schubkarren

Steffen Schöppner und Felix Johannes; Göggerträger Valentin Schöppner. 


Kinderkirmes

Leonie Sernow und Lukas Mölter, Jule Viernickel und Lena Mayer, Leonie Klug und Niklas Hergenhan, Leni Toufur und Fabio Weikert, Melina Fellenstein und Lewis Holzhausen. (ara)+++

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