97 Jahre auf dem Buckel, aber noch top in Form
Nostalgie pur: Mit Feldmanns RIESENRAD echtes Volksfest-Gefühl spüren
Fotos: Stefanie Harth
14.10.2015 / BAD HERSFELD -
In seinen Gondeln schmiedeten bereits politische Schwergewichte europäische Staatskunst. Stars und Sternchen genossen die Fahrt in vollen Zügen und erlagen diesem unnachahmlichen Kribbeln im Bauch, das Runde für Runde erzeugt wird. Ja sogar der Bielefelder Unternehmer August Oetker, Urenkel des gleichnamigen Firmengründers, lud das nostalgische Fahrgeschäft zu einer eintägigen Privataudienz ein. Abgeschirmt von der Öffentlichkeit, lebte er vor zwei Jahren seinen Kindheitstraum – im eigenen Garten, versteht sich.
97 Jahre hat Feldmanns Riesenrad, der ganze Stolz von Jörg Lotte und seiner Familie, auf dem Buckel, was man der „alten Dame“ nun wirklich nicht ansieht. Voller Hingabe pflegen und hegen die Schausteller ihren Schatz – und das nun schon in der vierten Generation. Vor dem Zweiten Weltkrieg gelangte das Kleinod, das 1918 von der Düsseldorfer Schaustellerdynastie Bruch erbaut wurde, in den Besitz der Feldmanns. „Die Großeltern betrieben das Karussell lange Jahre“, berichtet Jörg Lotte. „Das Rad ist etwas ganz Besonderes.“ Ganze Geschlechterfolgen erliegen dem Charme des Fahrgeschäftes. „Großeltern, die vor einem halben Jahrhundert als Kinder ihre Runden in unserem Riesenrad drehten, begeben sich jetzt mit ihren Enkeln auf große Fahrt“, betont der 54-jährige Warendorfer.
Gerade die älteren Fahrgäste seien es, die mit glänzenden Augen vor dem nostalgischen Rad verharren, das übrigens unter Denkmalschutz steht und wie auch der zugehörige Transportwagen als bewegliches Denkmal eingestuft wurde. „Das ist absolut einzigartig“, unterstreicht Jörg Lotte. Klar, dass das 13,5 Meter hohe Schmuckstück öfters seine deutlich kolossaleren Nachfolger auf den Rummelplätzen in den Schatten stellt. Immerhin handelt es sich um eines der wenigen Riesenräder älterer Bauart in Deutschland, die noch erhalten und kontinuierlich in Gebrauch geblieben sind. „Wir lieben unser Riesenrad und stecken ganz viel Arbeit und Herzblut hinein“, erläutert der Münsterländer. Es sei alleine eine Herausforderung, die Frontbemalung zu bewahren, die vor 76 Jahren ein aus München stammender namhafter Kunstmaler anfertigte und die jüngst von einem Spezialisten sorgfältig restauriert wurde. „Wir haben nicht umsonst 420 Decken dabei, in die wir nach dem Abbau jedes einzelne Karussell-Teil hüllen.“
Noch hat Feldmanns Riesenrad, das am Lollsmontag seine Lullusfestpremiere feiern durfte, die Herzen der Herschfeller und Hergeloffenen nicht voll und ganz erobert. „Wenn wir zum ersten Mal auf einem Volksfest gastieren, haben wir es erfahrungsgemäß schwer“, sagt Jörg Lotte. „Die Besucher kennen unser Fahrgeschäft nicht und fühlen sich zunächst von den großen Attraktionen beeindruckt. Aber wir arbeiten daran, das zu ändern.“
Ein solcher Auflauf, ein solches Tohuwabohu wird den Lottes in der Lullusstadt erspart bleiben. In Bad Hersfeld setzen die Riesenradbetreiber eher auf ein generationenübergreifendes Familienpublikum. Und auf glänzende Augen, auf glückliche Gesichter. Denn das ist es, was für Jörg Lotte und sein Team am meisten zählt. (Stefanie Harth) +++