Offener Brief an Bodo RAMELOW
Landrat Reinhard KREBS: "Unterbringung für Flüchtlinge erschöpft"
06.10.2015 / BAD SALZUNGEN - Mit einem Brandbrief wendet sich Landrat Reinhard Krebs (Wartburgkreis) an den thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Er macht in dem Schreiben deutlich, dass der Landkreis keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnehmen könne. Mit ihm würden keine weiteren Schulturnhallen für Notunterkünfte benutzt. Nachfolgend der Offene Brief im Wortlaut:
"Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
als Landrat des Wartburgkreises sehe ich mich gezwungen, Ihnen mitzuteilen, dass unsere Möglichkeiten zur Unterbringung von Asylbewerbern endgültig erschöpft sind. Ich wende mich mit diesem Schreiben an Sie, weil ich bereits seit August auf eine Antwort vom zuständigen Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, Dieter Lauinger, warte.
Seither haben wir dennoch zahlreiche weitere Menschen in Notunterkünften aufgenommen. Ende September haben wir die erste Schulsporthalle dafür geschlossen. Dies hat in der Bevölkerung für größten Unmut und größtes Unverständnis gesorgt. Da alle weiteren Unterkunftsoptionen - wie ein bereits in Planung befindliches Containerdorf mit 200 Plätzen, ein ehemaliges Hotel mit rund 150 Plätzen und ein ehemaliges Förderzentrum mit rund 100 Plätzen -frühestens ab Dezember nutzbar sein werden und auch die dort verfügbare Anzahl von Plätzen bei weitem nicht für die noch in diesem Jahr zu erwartenden Zuweisungen von Flüchtlingen ausreichenwird, bliebe mir als einzige Option, wöchentlich weitere Schulsporthallen auf unabsehbare Zeit zu schließen.
Der Wartburgkreis kann aus Mangel an verfügbaren Unterkünften aktuell keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen. Sobald die Sporthalle nicht mehr als Notunterkunft dienen muss und wieder Wohnungen oder Objekte bezogen werden können,
kommen wir selbstverständlich unserer Unterbringungsaufgabe nach. Der Wartburgkreis hat mit die höchste Verteilquote des Freistaates zu bewältigen. Die örtlichen Gegebenheiten unterscheiden sich aber deutlich von denen der Nachbarkreise: durch die außerhalb unserer Zuständigkeit liegende, kreisfreie Stadt Eisenach und dem Mangel an weiteren Städten mit mehr als 15.000 Einwohnern fehlen dem Wartburgkreis größere urbane Zentren mit entsprechend anmietbarem Wohnraum, größeren Liegenschaften oder frei nutzbaren Flächen zur Aufstellung von Containern. Auch fällt dem Wartburgkreis hier scheinbar die gute wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre auf die Füße: viele nicht genutzte, leer stehende Liegenschaften wurden abgerissen oder einer neuen Nutzung zugeführt. Andere infrage kommende Objekte oder Flächen scheitern an der Ablehnung der Gemeinden oder werden zu unmöglichrefinanzierbaren Preisen angeboten.
Nicht verhehlen möchte ich, dass die Haltung der Landesregierung, Asylbewerber, deren Antrag abgelehnt worden ist, nicht in die Herkunftsländer zurückzuschicken, mitverantwortlich für unsere gegenwärtige Situation ist. Im Wartburgkreis leben aktuell fast 900 Asylbewerber. Darunter fast 300 ausreisepflichtige Personen, deren Asylantrag
abgelehnt wurde bzw. die bereits ausgewiesen waren undnun einen Folgeantrag gestellt haben. Gerade einmal 21 Personen wurden 2015 erfolgreich abgeschoben.
Mit großem Kraftaufwand versuchen wir seit Wochen und Monaten nicht nur geeignete Unterkünfte zu finden, sondern auch für Verständnis und für eine Kultur des Willkommens in der Bevölkerung des Wartburgkreises zu werben. Unsere Bemühungen werden durch die sich täglich verschlechternden Rahmenbedingungen konterkariert. Dem ehrenamtlichen Engagement der Bevölkerung sind auf Dauer Grenzen gesetzt und obgleich wir bereits aus allen Abteilungen des Landratsamtes Mitarbeiter von ihren eigentlichen Aufgaben abgezogen und zur Betreuung inNotunterkünften eingesetzt haben, laufen wir Gefahr, die ehrenamtlichen Helfer ebenso wie auch die Polizei zu überlasten und entstehende Konflikte vor Ort nicht mehr handhaben zu können.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wir wollen helfen, wollen Menschen, die in Not sind, gern geeignete Unterkünfte anbieten und sie dabei unterstützen, bei uns Ruhe und Sicherheit zu finden. In der gegenwärtigen Situationsind wir dazu nicht mehr in der Lage.
Wir fordern daher eine Zuweisung von Flüchtlingen, die sich an den verfügbaren Plätzen orientiert. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass wir keine neuen Flüchtlinge aufnehmen, bis wir entsprechenden Wohnraum vorbereitet haben. Gern können wir hierzu ein persönliches Gespräch führen. Dieses Schreiben geht auch als offener Brief an die Medien." +++