Einkaufen, genießen und in Erinnerungen schwelgen
Verkaufsoffener Feiertag als "Fest der Einheit" - Massen durchfluten Kreisstadt
04.10.2015 / BAD HERSFELD -
Ob ein verkaufsoffener Feiertag der Würde des Tages der Deutschen Einheit angemessen ist, kann konträr diskutiert werden. In Bad Hersfeld hat der Stadtmarketingverein auf jeden Fall ein gutes Gespür bewiesen, indem er dieses Angebot an die Kunden in ein Fest der Einheit mit vielen „staatstragenden“ Aktionen eingebunden hat. „Ja, ist denn schon Lolls“ hätte man angesichts der Menschenmassen in der Fußgängerzone fragen können. Offensichtlich nutzten viele kauflustige Bürgerinnen und Bürger aus Bad Hersfeld, der Region und weit darüber hinaus den freien Tag, um ohne Zeitdruck durch die Gassen zu flanieren, in Erinnerungen an die Ereignisse vor einem Vierteljahrhundert zu schwelgen, sich von dem vielfältigen Angebot der Geschäfte inspirieren zu lassen und mit ihren Einkäufen die deutsche Wirtschaft anzukurbeln.
André Greifzu, der bis 1999 seinen Trabi gefahren hat, nutzte im Jahr 2009 die Gelegenheit, einen damals noch bezahlbaren Barkas B 100 zu erwerben und aufzubauen. „Das ist unser Sommerauto“, betont seine Frau Dana, die ihren Mann gern zu verschiedenen Trabi-Treffen überwiegend in Thüringen begleitet. Der zwischen 1961-1991 gebaute 8-Sitzer wurde in der damaligen DDR privat höchstens von kinderreichen Familien gefahren, ansonsten stand dieser Fahrzeugtyp auch als Pritsche oder Leiterwagen der Feuerwehr, der NVA oder für medizinische Hilfsfahrten zur Verfügung. „Gute 90, manchmal läuft er auch 100“, erläutert André Greifzu die mögliche Höchstgeschwindigkeit.
In einer von HZ-Reaktionsleiter Kai A. Struthoff moderierten Talkshow erzählten Zeitzeugen, wie sie die Grenzöffnung erlebt haben. Als Gesprächspartner standen die heimischen Urgesteine Henner Göbel mit seinem schier unglaublichen Wissen über die ältere und jüngere Geschichte seiner Heimatstadt Bad Hersfeld, Reinhard E. Matthäi, der stellvertretende Kreisvorsitzende des DRK Hersfeld, und Bebras ehemaliger Bürgermeister Horst Groß, der beim Mauerfall als Bundesgrenzschützer tätig war, zur Verfügung.
Ebenfalls Mitglied der Talkrunde war Rainer Osmann, Ex-Handballspieler bei der BSG Motor Eisenach. Nach eigener Handballkarriere wurde er Coach und trainierte bis 2011 die deutsche Frauennationalmannschaft. Eine Grenzgängerin ist Kerstin Staudtmeister, heute Ausbildungsleiterin im Werk Werra der K+S Kali GmbH. Als die Mauer fiel, war sie 22 Jahre alt, verheiratet und Mutter. Die Grenzöffnung ermöglichte ihr, in einem zweiten Studium den gewünschten Studiengang zu wählen und sich damit selbst zu verwirklichen. Auch der neue Landrat des Landkreises Hersfeld-Rotenburg, Dr. Michael Koch, der sowohl im Westen und Osten studiert und beruflich Karriere gemacht hat, stellte sich den Fragen. Er ist außerdem mit einer Ostdeutschen verheiratet, die er allerdings in Bayreuth kennengelernt und mit der er Familie gegründet hat.
Dr. Michael Koch wäre somit auch ein passender Kandidat für die sich anschließende Spielshow „Wetten, dass…“ gewesen. Stefan Pruschwitz, Geschäftsführer des Stadtmarketingvereins, wettete, dass sich mindestens 25 deutsch-deutsche Ehepaare dem Wettbewerb stellen. Jedes erschienene Paar erhielt nicht nur einen Einkaufsgutschein, sondern hatte auch die Chance auf den Hauptgewinn: 275 Euro für einen Einkauf im Modehaus Sauer.
Einen Grund zum Feiern hat auch das Mode-Zentrum Sauer, ein Familienunternehmen mit zwölf Filialen und Stores und 50.000 Stammkunden. Das Familienunternehmen Sauer wurde im Jahr 1740 von Johan Ritter Sauer gegründet. Heute steht die Sauer Modehandels GmbH bereits in der 9. Generation mit Martin Knauff an der Spitze für Mode, Erlebnis und Lebensgefühl. Hier konnte am Tag der Deutschen Einheit sogar mit DM-Scheinen bezahlt werden.