"Thank you, Fulda!"

Super-Konzert der Song & Danceman Band im Kreuz

Bassist Hermann Diel (errötet)

15.09.2015 / FULDA - "Thank you, Fulda!" Das ist O-Ton Dagmar Wortberg, Sängerin bei der Song and Danceman Band aus eben jenem Fulda. Und sie sagt nicht etwa Thank you, Frankfurt oder Thank you, Würzburg, weil die Song and Danceman Band fast ausschließlich in Fulda auftritt – und den Schaden haben Frankfurt oder Würzburg oder eben all die Städte, in denen die Musiker um Bassgitarrist Hermann Diel nicht spielen. Selbst in Fulda treten sie nicht allzu häufig auf, zwei-, dreimal im Jahr, aber das macht ein großartiges Musikerlebnis eben noch spezieller.



Es gibt ja nichts Widerlicheres, als bei einem Konzert zu sitzen mit dem Wissen, dass man nachher eine Rezension schreiben soll. Man kann nicht einfach da hocken mit einem Bier in der Hand und sich zuschütten lassen von dem, was da von der Bühne kommt; nein, man sitzt aufmerksam da und sucht nach Fehlern und Mängeln und Macken. Und hat sich von Freunden einen Kugelschreiber geliehen und kritzelt in ein Fuldaer Eventheft Bemerkungen zu Songs und Musikern und Lichtqualität und Mischung – aber irgendwann begreift man dann gottlob, dass das alles Käse ist, was man da treibt, und hört einfach nur noch zu, weil die Song and Danceman Band – wie sag ich das jetzt, ohne dass das Gerücht aufkommt, ich sei von denen gekauft worden – weil die einfach so geil Musik machen, dass jede Kritik völlig albern wäre.
Nicht, dass es keine Kritik gäbe, aber es wäre, als ob ich an einem Schweizer Käse kritisierte, dass er nicht die vorgeschriebenen 3,4 Löcher pro Quadratzentimeter aufweist, sondern nur 3,3. Dennoch: für die Erbsenzähler notiere ich jetzt mal, was mir aufgefallen ist. Die Einleitung, die Vorstellung der Musiker bevor es losgeht, kommt vom Band. Weiter: Beim ersten Song war die Bassgitarre zu laut; insgesamt könnte es nicht schaden, wenn auf der Bühne ein bisschen mehr Licht wäre; die beiden Sängerinnen Jutta Diel und Dagmar Wortberg können sich mehr trauen, noch mehr Power in ihren Gesang legen, dann und wann mal richtig Stoff geben (ihr könnt noch so viel toller klingen!), die Percussion-Banane, mit der Dagi bei Mighty Quinn jongliert, die hört man überhaupt nicht, weshalb sich nicht erschließt, warum sie damit – übrigens rhythmisch total sauber – rummacht, und sich eher die Frage stellt, warum sie die Banane am Ende des Songs nicht isst; Uli Meyer, der Mann am Piano, könnte ein bisschen prominenter gemischt werden, damit man mehr von ihm hört; Ralf Thomas am Schlagzeug sollte vielleicht auch mal ein geiles Solo spielen, damit man ihn nicht erst bei der Schlussverbeugung mitkriegt; und Hermann Diel am Bass darf nicht ständig hinten links irgendwas treiben, was sich dem Zuhörer/Zuschauer nicht erschließt, aber irritiert, weil es aussieht, als führe er eine Unterhaltung mit einem kleinen Mann off-stage; und – jetzt wird's Ernst – die Sänger dürfen nicht auf Zettel oder iPads schielen, weil sie den Text nicht kennen. Ich weiß, ich weiß – 20 Lieder auswendig lernen, ist schwer und bei Bob-Dylan-Texten kann man nicht einfach irgendwas singen, aber dennoch: Da zeigt sich die Professionalität – oder eben auch nicht.

Aber das war's dann auch schon mit der Kritik. Das Produkt – die Musik – der Song and Danceman Band war einfach Spitzenklasse. Die Jungs und Mädels spielen nur Dylan-Songs, und wenn man sie so einen Abend lang gehört hat, weiß man auch gar nicht, warum man eigentlich andere Musik braucht, denn Dylan hat alles, obwohl man das, wenn er selbst singt, nicht so ohne Weiteres merkt... Aber so, wie die Song and Danceman Band Bob Dylan interpretiert, ist das komplette musikalische Spektrum abgedeckt. Obwohl – es ist keine Swing-Combo und kein Kirchenchor, es geht schon eher rockig zu – aber (siehe oben) so geil, dass man nach drei Stunden Auftritt das mit dem nach-Hause-Gehen nur deswegen nicht komplett abwegig findet, weil der Stuhl etwas zu hart war. Das Repertoire reicht von Make you feel my Love à la Adele bis zu Masters of War, und zwischendrin kommt Dylan, wie ihn nur diese sieben Musiker aus Fulda hinkriegen - bis hin zu einem orgiastischen Bluesklimax mitten im Konzert: Am I your Stepchild, getragen vor allem von Martin Günzel an der Gitarre und Stefan Wagner mit der Mundharmonika.

Das ist ein Song, bei dem es besonders auffällt, wie gut die Song and Danceman Band inzwischen zusammenspielt, wie jeder genau weiß, was die anderen wann machen, wie Instrumente und Stimmen sich ergänzen, wie das Ganze kulminiert in einem Ohrenschmaus der musikalischen Extraklasse. Und wenn man jetzt noch weiß, dass die Song and Danceman Band dieses Kunststück bei fast jedem Song hinkriegt, dann weiß man, was für ein Konzert man verpasst hat, wenn man am vergangen Samstag nicht im Kulturzentrum Kreuz war. Alle 16 Songs, die dort an diesem 12. September 2015 gespielt werden, sind spitze arrangiert und werden sensationell gut performed – sogar Blowin' in the Wind und Quinn the Eskimo, die etwas eigenwillig arrangiert waren.

Auch vor und nach dem Stepchild gibt es keine Gnade, die Song and Danceman Band powert durch Dylan, dass es eine wahre Freude ist, spielt Highway 61 Revisited, wie der Song noch nie gespielt wurde (außer vielleicht von ihnen selbst), produzieren eine Version von Julius & Ethel, die selbst Bob Dylan nicht kennen dürfte, bringen All along the Watchtower zunächst wie Joe Cocker und dann wie Jimmy Hendrix, und gegen Ende noch einen Höhepunkt in Form von Pay in Blood von Dylans 35. Album Tempest von vor exakt drei Jahren.
Am Ende, als Zugabe, spielen die Song und Dancemänner und –frauen noch mit ihren Gästen, Leonard Schmidt und Sheep Dip, die zu Beginn des Abends und mittendrin Auftritte hatten, Blowin' in the Wind in einer herkömmlicheren Version und Knockin' on Heaven's Door, beide Songs im Stil von BandAid, alle zusammen auf der Bühne, jeder darf mal singen, drei Mikros für sechs Sänger und trotzdem umwerfend! Dann ist Schluss mit dem Abend, der von Herman Diel um das Thema Wahrheit in der Kunst mit Weisheiten von Wilhelm Busch untermauert und glänzend moderiert wurde. Keiner hat sich gelangweilt, keiner ist vorzeitig gegangen, es wurde am Ende stehend applaudiert, die Song und Danceman Band hat mal wieder gehalten, was sie versprochen hat: Dylan auf feinstem und höchstem Niveau mit Musikern, die wissen wie's geht und die so meisterlich und sensationell zusammen spielen, wie, na sagen wir, wie Barcelona oder Dortmund. Es ist eine Riesenfreude – aber nur Fulda kriegt das mit. Schön für Fulda, sehr, sehr schade für alle anderen.+++ Jürgen Hecker

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