Willkommen bei uns in Osthessen (8)
Ausbildung als Chance – Junger Eritreer lernt bei der Stutz GmbH
Fotos: Stefanie Harth
07.08.2015 / KIRCHHEIM -
Konzentriert vermisst Meron Berhane Gebreigziabher mit dem Zollstock die Baugrube, in die ein Rohrdurchlass eingebaut werden soll. Sein Arbeitskollege Jochen Thierling erläutert dem 27-jährigen Lehrling geduldig jeden einzelnen Arbeitsschritt. Meron, der seit Montag eine Ausbildung zum Straßenbauer bei der Stutz GmbH Tief- und Straßenbau im Kirchheimer Ortsteil Kemmerode absolviert, saugt die Informationen regelrecht in sich auf. Als „neue Kraft“ im Team, gibt es für ihn eine Menge zu lernen. Sein erster Einsatz führt den jungen Familienvater nach Homberg (Ohm), wo das familiengeführte Bauunternehmen zurzeit die Fahrbahn der Kreisstraße 51 zwischen Deckenbach und Schadenbach erneuert.
Meron hat eine wahnsinnige, eine unfassbar strapaziöse Odyssee hinter sich: Im Februar 2012 flüchtete er gemeinsam mit seiner Frau – wie so viele seiner Landsleute – aus seinem Heimatland Eritrea. Ein diktatorisch regierter Staat am Horn von Afrika, in dem alle Freiheitsrechte mit Händen und Füßen getreten werden. 22 Monate dauerte die Flucht des Ehepaares, das sich aus dem fünftärmsten Land der Welt über den Sudan, Libyen und Italien bis nach Deutschland durchschlug und die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer in Kauf nahm, um ein neues, ein friedvolles Leben in Europa zu beginnen. „Im Dezember 2013 kamen wir in der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen an. Dort wurde auch unsere Tochter geboren“, erzählt Meron, der dank eines Intensivkurses mittlerweile der deutschen Sprache recht ordentlich mächtig ist. „Für uns war alles fremd: die Sprache, die Kultur, das Essen und das Wetter.“ Schließlich „strandete“ die Familie in Kirchheim – hier erblickte ihr kleiner Sohn das Licht der Welt. Angesprochen auf seine zurückgelassenen Angehörigen in Eritrea, das bisweilen auch als das „Nordkorea Afrikas“ bezeichnet wird, schießen dem jungen Mann Tränen in die Augen. „Mein Bruder lebt noch dort“, sagt er ausweichend.
Ein „bisschen Zuhause“ in einem fremden Land
Meron packt auf der Baustelle in Homberg (Ohm) fleißig mit an, sucht ständig den Kontakt zu seinen Arbeitskollegen. „Ich habe gute Kollegen“, unterstreicht er. „Wenn ich sie etwas frage, erklären sie mir alles. Ich lerne hier wirklich sehr viel.“ Es ist ein neuer, ein hoffnungsvoller Weg, den der Eritreer beschreitet. Ein Weg, der ihm eine Zukunft, eine berufliche Perspektive eröffnet. Für Meron die Chance, seiner Frau und seinen beiden Kindern ein besseres Leben bieten zu können. Meron hat diese Chance beherzt ergriffen. (Stefanie Harth) +++