Festspiel-Stars im Portrait (16)

"Bad Hersfeld ist wie eine Geburt" - Musical-Ikone Helen SCHNEIDER brilliert in "Cabaret"


Fotos: Hans Hermann Dohmen

17.07.2015 / BAD HERSFELD - „Es ist wie beim ersten Mal und auch wie jedes Jahr“-  ein Gefühl, das nicht oft im Leben eines Musicaldarstellers auftritt. Helen Schneiders Leben ist geprägt von ständigem Wandel, ständiger Weiterentwicklung. Bei unzähligen Umzügen, immer neuen Engagements ist Bad Hersfeld einer der wenigen, immer wiederkehrenden Orte auf ihrer Karrierelandkarte. Schneiders Geschichte mit den Festspielen ist lang: 1999 bis 2001 gab sie die Eva Perón im Musical „Evita“, 2011 spielte sie Norma Desmond in Andrew Lloyd Webbers „Sunset Boulevard“. 2015 ist sie für die Rolle des Conferenciér in „Cabaret“ in die osthessische Stadt zurückgekehrt.



„Was möchten Sie über mich wissen, das Sie noch nicht wissen?“, beginnt die zierliche Amerikanerin mit einem charmanten Lächeln. Mit ihrer Frage trifft sie genau ins Schwarze: nicht nur in Bad Hersfeld ist Schneider ein echter Liebling der Medien. Ihr großer Facettenreichtum, ihre besondere Ausstrahlung machen sie zur beliebten Hauptdarstellerin nicht nur in Bühnenproduktionen, sondern eben auch in der Berichterstattung.

Die gebürtige New Yorkerin hatte ihr deutsches Fernsehdebüt 1978 in einer Sendung des Saarländischen Rundfunks. Alfred Biolek trieb in der Folge auf diesen Auftritt Schneiders Karriere in Deutschland energisch voran und die Deutschen schlossen das Energiebündel schnell in ihre Herzen. Nach einer primär musikalischen Schaffensphase bekam mit Helmut Baumann das Musical einen festen Platz in ihrem Leben. Als Intendant des Theater des Westens in Berlin besetzte er sie damals als Sally Bowles in „Cabaret“. Mit dieser Entscheidung begann nicht nur Schneiders Aufstieg in die Top-Riege des deutschen Musicals, auch eine lange Freundschaft mit Baumann fand ihren Anfang.

„Was Helmut mir beigebracht hat, trage ich immer in mir“, sagt Schneider im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS über ihre enge Freundschaft. Beide leben in Berlin und haben auch dort stets Kontakt, dennoch genießt sie die Arbeit mit Baumann in Bad Hersfeld umso mehr. „Wir haben Spaß miteinander und helfen einander. Wir lachen unseren Weg durch schwierige Situationen“ – und davon gibt es gerade in dieser Spielzeit einige. Ein überaus enger Spielplan und Wetterwechsel von „strömendem Regen zu brutaler Hitze“ haben der mittlerweile 62-Jährigen in diesem Sommer viel Kraft geraubt. Bei der hohen physischen Leistung, die die Musicaldarstellerin allabendlich erbringen muss, kommt da auch manchmal ein Moment der vollkommenen Müdigkeit auf. Dennoch hat sich das weibliche Kraftwerk auch in diesen Situationen wieder aufgerafft und bekennt im Nachhinein: „Bad Hersfeld ist für mich wie eine Geburt, man vergisst den Schmerz und am Ende bleibt nur die gute Erinnerung.“

Als Sally Bowles in „Cabaret“ fand Schneider zu Beginn ihrer Karriere einen festen Platz in der Musicalwelt. Als Conferienciér – eigentlich eine Männerrolle - hat sie nun einen ganz anderen Blick auf das Stück. „Die Figur ist ganz anders, älter und voller Zynismus“, beschreibt sie ihre Figur. Absichtlich abstrus und voll großer Weisheit um das, was im abgebildeten Berlin der 1930er vor sich geht, ist der Conferenciér zudem Meister der Manipulation – eine Rolle, die Schneider sowohl große Herausforderung als auch Spaß bereitet. Ursprünglich hatte sie eine ganz andere Idee, wie sie die Figur spielen wollte. Den Riesenhänden, mit denen sie nun zynisch die Figuren dirigiert, stand sie zuerst skeptisch gegenüber. „Gil Mehmert sagte ‚Du wirst sie lieben!‘ und in der Tat hatte er Recht“, sagt Schneider jetzt. Für die besondere Rolle sei nun ein super Moment. Sie habe in der Vergangenheit oft große Diven gespielt und könne nun in dieses andere Extrem gehen.

Für diese, wie auch für andere Rollen, ist für die Wahlberlinerin vor allem eines wichtig: „Ich will daraus meins machen.“ Auch bei einem Klassiker wie „Cabaret“ habe man stets die Hoffnung, dass man seine eigene Vision in die Rolle geben kann und das ist ihr in diesem Falle einmal mehr gelungen. Komplett exzentrisch, mit mehr und mehr Nuancen gibt sie den Conferenciér und wird nicht nur von Kritikern dafür gefeiert.

Alle Arbeti hat sich also für das Ensemble von „Cabaret“ gelohnt. Nachdem alle Vorstellungen ausverkauft waren, gibt es am Sonntag, 19. Juli, noch eine Zusatzvorstellung. Hierfür sind noch Karten erhältlich. Weitere Informationen: www.bad-hersfelder-festspiele.de. (Sabrina Ilona Teufel)+++





X