"Wir zählen auf Ihre Unterstützung"

Asylbewerberunterkunft in Horas öffnet im August ihre Pforten - 105 neue Nachbarn

Bis zu 105 Asylbewerber sollen in dem Neubau unterkommen
Archivbild: Anna Medlin

09.07.2015 / FULDA - Sie laufen wohl meistens ähnlich ab, die zahlreichen Informationsveranstaltungen, die Landrat Bernd Woide und Jürgen Stock, Fachbereichsleiter beim Amt für Arbeit und Soziales, im Landkreis Fulda bereits vor den Eröffnungen neuer Asylbewerberheime gegeben haben. Bis auf den letzten Platz war am Mittwochabend auch das Pfarrzentrum Horas gefüllt. Viele Fragen, Ängste und Neugier im Gepäck, waren rund 200 Bürger erschienen, um sich über das geplante Asylbewerberheim an der Ecke Niesiger Straße/Mackenrodtstraße zu informieren. Bereits am 1. August ist Vertragsbeginn zwischen dem Landkreis Fulda und der Betreiberfirma. Mitte August sollen bereits die ersten Asylbewerber in ihr neues Zuhause auf Zeit einziehen. Bis zu 105 Asylbewerber sollen in der Einrichtung später unterkommen können. 



Bis dahin war es aber bereits ein langer Weg. Zuerst sei die Rede von einem Studentenwohnheim gewesen, wie einer der anwesenden Bürger erklärt und über mehrere Umwege sei es nun eine Unterkunft für Asylbewerber geworden. Der Bauherr wollte zunächst anonym bleiben. Die Betreiber blieben wegen "geschäftlicher Termine", wie Bürgermeister Dag Wehner erklärte, der Veranstaltung am Mittwochabend fern. Eine Vertreterin der Betreiberfirma war zwar vor Ort, einige aufgebrachte Bürger konnte das jedoch wohl kaum beschwichtigen. "Die Investoren sind zu feige, sich zu zeigen", erklärte ein aufgebrachter Mann. 

Neben Landrat Bernd Woide standen Jürgen Stock vom Landkreis, Wolfram Latsch von der AWO und Bürgermeister Dag Wehner am Mittwochabend den Anwesenden Rede und Antwort. Neben grundständigen Informationen sollte es dabei vor allem um die Vorbereitung auf die neuen Nachbarn gehen. Mittlerweile führten Flüchtlingsströme die verantwortlichen Organe bundesweit an Grenzen. Während im Jahr 2006 bundesweit noch rund 30.000 Asylanträge gestellt wurden, seien es 2014 bereits über 200.000 gewesen. 2015 fallen die Zahlen noch höher aus: 140.000 Asylanträge wurden bis Ende Mai bereits gestellt, die Bundesregierung rechnet bis Jahresende mit 400.000 - 450.000 Anträgen. 25-30 Asylbewerber werden dem Landkreis Fulda pro Woche - immer am Stichtag Mittwoch - vom Land Hessen zugeteilt. Wer genau da komme, das wisse man auch im Landkreis erst etwa zwei Tage vorher. Dann ist schnelles Handeln gefragt - die Asylbewerber müssen umgehend untergebracht werden.



Der Raum ist knapp, die Zeit drängt

Der Raum dafür ist knapp. In der hessischen Erstaufnahmeinrichtung in Gießen warten derzeit rund 6.000 Menschen. Die Erstaufnahmeeinrichtungen seien überfordert, so komme es zu einer schnelleren Verteilung der Bewerber auf Landkreise und kreisfreie Städte. Die Aufnahmequote der Landkreise ist klar geregelt, sie richtet sich nach der Einwohnerzahl. So liegt die Quote im Landkreis Fulda, laut Stock, beispielsweise bei 4,20 Prozent, im bevölkerungsstarken Main-Kinzig-Kreis bei 7,63 Prozent und in Hersfeld-Rotenburg nur bei 1,90 Prozent. 536 Asylbewerber sind im Jahr 2014 in den Landkreis Fulda gekommen. Die Prognose für 2015 liegt mit etwa 1.200 erwarteten Asylbewerbern deutlich höher. Die Zahl der Leistungsberechtigten steige stetig an, wohingegen die Anerkennungsverfahren immer länger dauerten. 

Es muss schnell gehandelt werden. Landrat Woide erlaubte, erwartete am Mittwochabend von den Bürgern aber Fragen, Sorgen und eine angeregte Diskussion. Das sei vollkommen normal. Dennoch solle man aber nicht vollkommen negativ an die Thematik herangehen. Der Landkreis sei für die Aufnahme und Unterbringung und Leistungsgewährung verantwortlich und dieser Aufgabe sehe man sich auch gewachsen. 

Die Mindestanforderungen für Asylbewerberheime sehen laut Jürgen Stock wie folgt aus: zwischen 20 und 50 Personen sollten dort untergebracht werden können. Mehrbettzimmer sowie Einzelzimmer sind möglich, bei einer Toilette und Dusche pro zehn Personen. Gemeinschaftsküche und Waschmöglichkeiten müssen vorhanden sein, ebenso wie eine geeignete Infrastruktur und Ansprechpartner vor Ort. Im Falle der Unterkunft in Horas wird das die AWO sein, die bei Fragen wie der nach sozialer Integration, behördlichen Fragen und Spracherwerb beratend und unterstützend tätig wird. Für sie ist diese bereits die sechste zu betreuende Unterkunft im Landkreis.

44 Apartments auf fünf Etagen soll der Bau in Horas umfassen. Jedes Apartment ausgestattet mit einer kleinen Küche, Dusche und Toilette. Im Untergeschoss soll ein Gemeinschaftsraum eingerichtet werden und auch eine ständige hausmeisterliche Präsenz muss - laut Landkreis - vom Betreiber sicher gestellt werden. Eine 24-Stunden-Betreuung sei nicht angedacht und auch in anderen Einrichtungen nicht gegeben, dennoch soll es zu bestimmten Uhrzeiten Kontrollen durch einen Wachdienst geben. 

All das kostet, dessen zeigten sich auch die Akteure bewusst. Geld, ein Thema, bei dem viele der Anwesenden stark reagierten. Wer diese Kosten tragen solle und wieso die Asylbewerber in einen Neubau und nicht in ein älteres Haus einziehen, lauteten einige der aufgebrachten Wortmeldungen. "Was gerade passiert, ist für alle eine große finanzielle Belastung", erklärte Landrat Woide dazu. Dennoch glaube er nicht, dass man mit Ausgrenzungs- und Abschottungsmechanismen weiterkomme. 

Ein emotionales Plädoyer für Offenheit hielt Abdulkerim Demir vom Ausländerbeirat des Landkreises. "Statt die Menschen auszugrenzen, gehen Sie auf sie zu", bat er die Horaser und erhielt dafür von vielen starken Beifall. Es sei vor allem die Anzahl, die den Bürgern Angst mache, sagte ein anderer in seiner Wortmeldung. "105 Leute in dem Häuschen - das wird eine Katastrophe." Gerade in diesem Punkt sieht Woide aber den Vorteil des modernen Gebäudes. Zudem habe der Landkreis eine lange Tradition mit Flüchtlingen - Erfahrung, die helfen könnte. 


Flüchtlinge gehören zur Fuldaer Tradition

Während sich viele neben dem finanziellen Aspekt auch um die Integration der Flüchtlinge sorgten, sahen andere da keine grundsätzlichen Hindernisse. "Was ich hier bisher gehört habe ist blamabel", sagte ein Veranstaltungsbesucher. Fulda habe bereits in der Vergagenheit Flüchtlingen eine Zuflucht geboten und gemäß der Wertegesellschaft in der die Deutschen lebten, müsse Gleichbehandlung aller fraglos möglich sein. 

Besonders die Integration von Kindern machte einigen Bürgern jedoch scheinbar große Sorge. "Sind genug Kindergartenplätze vorhanden, wenn Familien mit Kindern kommen?", lautete eine Frage. Laut Dag Wehner sei dies aktuell kein Thema. Man könne auch kurzfristig auf einen Anstieg der Kinderzahlen im Landkreis und Stadtgebiet reagieren. Lediglich könne es sein, dass man in Einzelfällen auf andere Kindergärten im Stadtgebiet ausweichen müssen, es werde dabei aber keine Vorrangentscheidung in Bezug auf Kinder von Asylbewerbern getroffen. 

"Rückt mein Kind in der Schule in den Hintergrund?", fragte eine besorgte Mutter in Bezug auf gemeinsamen Unterricht mit Kindern, die noch kein Deutsch sprechen. "Wir sind sicherlich im Schulbereich "Integration durch Sprache" noch nicht da, wo wir hin müssen", sagte der Landrat. Laut Wolfram Latsch von der AWO werde es aber Integrationsklassen geben und auch die AWO selbst sicherte ihre Unterstützung zu. 

Mit Fortschreiten der Veranstaltung häuften sich die Beiträge besonders verständnisvoller Bürger. "Dass Deutschland heute wirtschaftlich so ein starkes Land ist, haben wir nicht zuletzt den rund neun Millionen Ausländern zu verdanken", sagte ein Redner. Die Panikmache Einzelner finde er lachhaft. Dennoch müsse auch die Politik mehr handeln und vom Wunschdenken abkommen. Es müssten mehr Jobs gestellt werden, damit die neuen Mitbürger Fuß fassen können. Beim Landrat traf er da den richtigen Nerv:"Jeder, der arbeitet, entlastet uns natürlich auch."

Aber auch Fragen nach den Möglichkeiten, sich ehrenamtlich einzubringen wurden ebenfalls laut. Die Horaser Vereine planen derzeit bereits einen Termin, bei dem man gemeinsam beratschlagen wolle, wie man unterstützend tätig sein kann. Bereits am Mittwoch meldeten sich Bürger, die aktiv bei der Integration der neuen Mitbürger helfen wollen. "Wir zählen auf Ihre Unterstützung", begrüßte Bürgermeister Wehner das Engagement. (Sabrina Ilona Teufel) +++

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