WIELOCHS WIRRE WELT (86)

Aus für Bundesjugendspiele – Auch Eierlauf und der Plumpsack sind Tabu



03.07.2015 / REGION - In diesen Tagen rennen, werfen und springen osthessische Schüler wieder bei den Bundesjugendspielen. Allerdings wohl zum letzten Mal. Denn eine besorgte Mutter will per Petition an den Bundestag die sportlichen Spiele abschaffen, die Kinder furchtbarem „sozialen Druck“ aussetzen und „demütigen“. „Ein Wettkampf, bei dem Einzelne schon vorher wissen, dass sie chancenlos sind, ist sinnlos und unfair“, schreibt die besorgte Mami und fordert, die Bundesjugendspiele abzuschaffen oder auf Freiwilligkeit umzustellen. Erste Grund- und weiterführende Schulen sowie fürsorgliche Elternhäuser der Region realisieren bereits das pädagogisch geniale Konzept.



Nur 7 von 29 Schülern empfängt Lehrerin B. heute zur Mathearbeit in der 5a. „Die anderen wollen nicht und sehen wenig Chancen, das sollte man akzeptieren“, resümiert die junge Pädagogin, die als schlechteste Note generell nur eine 3+ vergibt, um den Kindern und Jugendlichen schockierende und demotivierende Negativerlebnisse zu ersparen und die Eltern erst wieder bei der Schulentlassungsfeier sehen zu müssen. Fünf der sieben erschienenen Schüler schauen den anderen beiden beim Mathetest (offizielle Bezeichnung: Spielerische Auseinandersetzung mit lustigen Zahlen) einfach nur zu und erhalten dafür ein buntes „Teilnahmefleißpünktchen“. Für drei dieser Teilnahmepunkte gibt’s schon eine Strandmuschel, für acht wahlweise zwei Tage frei oder einen Wellnessgutschein für ein Wochenende in Bad Ragaz mit zweistündiger Ganzkörpersynchronmassage mit fünf Händen und für zehn Punkte ein von der Schule akzeptiertes unbefristetes Attest für Dyskalkulie in allen Fächern.

Kollege M. hat den Mittelstuflern im Schwimmunterricht die verbindliche Vorgabe gemacht, nicht mehr kräftezehrend zu schwimmen, sondern sich lediglich wahlweise mit oder ohne Luftmatratze mit frischen Erdbeeren und gekühlten Getränken zu den Klängen tibetischer Höhlenwale auf der Wasseroberfläche treiben zu lassen, um physischen und psychischen Stress zu vermeiden. Allerdings hat ein erboster Vater gegen diese Maßnahme bereits eine Online-Petition gestartet, „weil die stark adipösen Kinder durch die zusätzlichen Fettpolster deutlich mehr Auftrieb haben als unser schlanker Sohn, der zudem Erdbeeren lediglich püriert in Form eines schaumigen Prosecco-Mousse zu sich nimmt“.

„Wir verzichten in diesem Jahr erstmals ganz bewusst auf Sackhüpfen und Eierlauf“, erzählt Claudia Y. Die Kleinen würden auf dem Kindergeburtstag sonst einem „ungesunden Leistungsdruck und Konkurrenzkampf ausgesetzt“. „Außerdem stolpert der dicke Paul immer menschenunwürdig mit seinem Sack, und Torben als überzeugtem Veganer wollen wir das Laufen mit einem Ei nicht zumuten“, liefert die 33-Jährige plausible Argumente. Stattdessen dürfen sich die Jungen und Mädchen die Zeit nach dem Kuchenessen mit Rumliegen vertreiben. „In meinen Augen ist es kriminell, dass Eltern ihre Kinder immer noch mit ,Topfschlagen’ und ,Der Plumpsack geht um’ bis über die Grenzen ihrer seelischen Belastbarkeit strapazieren“, pflichtet Ehemann Hagen bei.

Sein 18-jähriger Sohn nickt und muss los zum „Kniffligen Knobelspaß für angehende Autofreunde auf freiwilliger Mitmach-Basis mit Telefonjoker“ – früher bekannt als theoretischer Führerscheintest. (Jochen Wieloch)+++





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