Doppelte Doppelrollen, doppelte Freude

Hersfeldpreise für Christian SCHMIDT sowie Zwillinge Lisa und Laura QUARG

Gruppenbild mit Preisträgern (v.li): Bürgermeister Fehling, Intendant Dieter Wedel, Helgo Hahn, Lisa Quarg, Dr. Rainer Hauer, Preisträger Christian Schmidt, Laura Quarg, Staatssekretär Ingmar Jung und Jurorin Bettina Fraschke ...
Alle Fotos: Gudrun Schmidl

22.06.2015 / BAD HERSFELD - Der Große Hersfeldpreis 2015 geht an Christian Schmidt (KOMÖDIE DER IRRUNGEN und SOMMERNACHTS-TRÄUMEREIEN). Er wird damit ausgezeichnet für seine beiden Doppelrollen als Antipholus in Dieter Wedels Inszenierung der KOMÖDIE DER IRRUNGEN und als Oberon/Theseus in Joern Hinkels Inszenierung von SOMMERNACHTS-TRÄUMEREIEN – beides nach William Shakespeare. Dass ein einziger Schauspieler eine doppelte Doppelrolle meistert, ist einmalig in der Geschichte der Festspiele. Der Hersfeldpreis 2015 geht an Lisa und Laura Quarg (DER ZERBROCHNE KRUG) für ihre Darstellung der Magd Liese und der Magd Grete in Heinrich von Kleists Lustspiel. "Die Zwillinge werten ihre sogenannten Nebenrollen mit kühner Bühnenpräsenz, komödiantischem Geschick und akrobatischem Körpereinsatz wesentlich auf" hieß es am Sonntag seitens der Jury. 



Die begeisterten Festspielbesucher aus Bad Hersfeld und der Region wissen, dass man bei so einem nass-kalten Wetter die Winterjacke heraus holt und eine Decke mitnimmt, wenn man Aufführungen oder wie heute, die Hersfeldpreis-Verleihung 2015 in der Stiftsruine besucht. Franziska Reichenbacher moderierte äußerst charmant und kenntnisreich, das Saxophonquartett „Saxophonics“ und das Blechbläserseptett des „Cabaret-Orchesters“ übernahmen die musikalische Umrahmung der Veranstaltung. 

Einer Veranstaltung mit Tradition, denn bereits seit 1962 werden die undotierten Hersfeldpreise von der Stadt Bad Hersfeld und der „Gesellschaft der Freunde der Stiftsruine“ alljährlich vergeben. Der mehrfache Hersfeldpreis-Preisträger und künstlerische Ehrengast Dr. Rainer Hauer erinnerte an den ersten Preisträger Hans Caninenberg und an seine eigenen Auftritte in fünf Spielzeiten in zehn Rollen auf der für ihn faszinierendsten Bühne. Die „Gesellschaft der Freunde der Stiftsruine“ ist der Gründungsverein der Bad Hersfelder Festspiele. Heute sieht sich der Verein als Mittler zwischen Sponsoren und den Festspielen. So hat die Sparkasse Bad Hersfeld Rotenburg über den Verein die Festspiele mit einem beachtlichen Betrag unterstützt, freut sich der 1. Vorsitzende Helgo Hahn. Er verweist auf die weiteren Aktivitäten wie den ins Leben gerufenen Literaturzirkel, die Einführungsvorträge zu den einzelnen Stücken sowie die Dauerausstellung „Die große Faszination“ im städtischen Museum, die auf Initiative der Vereinsmitglieder die bewegte und bewegende Geschichte der Festspiele demonstriert. 

Helgo Hahn unterstreicht, dass Intendant Dieter Wedel mit seinem Team den Festspielen ein neues Gesicht verpasst und die Stadt deutschlandweit ins Gespräch gebracht hat, nicht zuletzt wegen der großen Namen im Ensemble, die eine besonders große Anziehungskraft auf die Medienwelt haben. Hahn freut sich über die längst überfälligen Neuerungen in und um die Stiftsruine herum, besonders aber über das respektvolle Miteinander von Intendant Dieter Wedel und dem Ex-Intendanten Holk Freytag. Ihnen gilt sein Dank.  

Zu den Ehrengästen gehörte auch Michael Roth, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, der auf das Bühnenbild für das heute Abend wieder aufgeführte Musical „Cabaret“ anspielte. „Berlin in Bad Hersfeld, das passt. Wir sind in Berlin stolz, was in Bad Hersfeld passiert“. Die ernsten Themen kann er auch an so einem Tag nicht ausklammern. „Nicht nur auf den Bühnen erleben die Zuschauer Dramen, Tragödien und Komödien. Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein“, befürchtet der Staatsminister und weist darauf hin, dass fast 60 Mio. Menschen weltweit auf der Flucht sind. Die Krise in der Ukraine, das schlechte Verhältnis zwischen Deutschland und Russland, die Tragödie in Griechenland bereiten ihm Sorge. „Das Elend kommt bei uns an“, bekräftigt Roth in Bezug auf die andauernde Flüchtlingswelle. Bei all den Dramen rund um den Globus gibt es dennoch eine Verbindung zu den Festspielen: „Theater hält den Spiegel vor“.  

Staatssekretär Ingmar Jung (Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst) überbrachte auch die Grüße von Ministerpräsident Volker Bouffier an Intendant Dieter Wedel. Bouffier hat sich begeistert über die Premiere von der
„Komödie der Irrungen“ geäußert und ist von der Leuchtkraft Bad Hersfelds und, wie die Verantwortlichen der Landesregierung auch, von Dieter Wedels Konzept überzeugt. „Die Stadt griff in die Tasche, das Land griff in die Tasche, die Bundesrepublik Deutschland könnte die Festspiele auch noch zusätzlich unterstützen“, wandte er sich, vom Publikum beklatscht, an Staatsminister Michael Roth.  

Bürgermeister Thomas Fehling äußerte sich in seiner Begrüßung mehr als begeistert über die ersten zwei Wochen der Festspielsaison. „Tolle Aufführungen, schönstes Wetter, gute Besuche und tolle Leistungen“. Diese beachtlichen schauspielerischen Leistungen der Darstellerinnen und Darsteller zu beurteilen, war Aufgabe der unabhängigen Jury aus Theaterkritikern Bettina Fraschke (HNA), Christoph A. Brandner (Fuldaer Zeitung), Thomas Kobbe (WLZ), Kai Struthoff (Hersfelder Zeitung) und Hermann Diel (HR). Bettina Fraschke als Jury-Vorsitzende bestätigte im Gespräch mit Moderation Franziska Reichenbacher, dass es keine einfache Aufgabe war und intensiver Diskussionen bedurfte, um sich einstimmig auf die Gewinner zu einigen.  

Mit Christian Schmidt als Gewinner des Großen Hersfeldpreises zeigte sich das Publikum mehr als einverstanden, was sie mit frenetischem Applaus bekundeten. „Christian Schmidt hat die Festspiele gerettet“, lobt Dieter Wedel den Preisträger. Neun Tage vor der Premiere hat Schmidt nach krankheitsbedingtem Ausfall des Hauptdarstellers die Riesenrolle als zweifacher Antipholus in Wedels Inszenierung der „Komödie der Irrungen“ nach William Shakespeare übernommen. Mit einer herausragenden darstellerischen Leistung fügt er die gegensätzlichen Zwillinge zu einer einzigen Person zusammen.  

In den bezaubernden „Sommernachts-Träumereien“ spielt Schmidt mit Leidenschaft und hohem körperlichen Einsatz den Theseus als arroganten Grapscher und den Oberon als anima-lischen Lüstling und zynischen Intriganten, urteilt die Jury. „Dass ein einziger Schauspieler eine doppelte Doppelrolle meistert, ist einmalig in der Geschichte der Festspiele“. In seine Dankesrede schloss der Preisträger anerkennende Worte über die besonders gute Zusammenarbeit mit den Schauspiel-kollegen in beiden Stücken mit ein. „Wer für einen stimmt, stimmt gegen zehn andere“, ist als Lob von Wedel an alle Ensemblemitglieder zu verstehen. „Ich wüsste nicht, wen ich hervorheben sollte“.  

Eine schöne Tradition, die Preisverleihung mit Beiträgen des Ensembles aufzulockern, übernahm Dieter Wedel sehr zur Freude der Veranstalter. Das Publikum honorierte mit begeistertem Beifall die gezeigte Handwerkerszene aus Shakespeares „Sommernachts-Träumereien“, die im Stiftsbezirk gezeigt werden, bevor Dieter Wedel das Wort ergriff. „Ich habe einige Fehler gemacht und habe gute Dinge entschieden. Besonders stolz bin ich auf die Entschei-dung, im Stiftsbezirk zu spielen. Hier können wir neben Boulevard im Schloss Eichhof und großem Theater auf der Stiftsruinenbühne experimentieren“. Der heimliche Star dieser Inszenierung ist für Dieter Wedel der Kleindarsteller Christopher Seban, der als „Thisbe“ neben Schauspielgrößen wie André Eisermann und Markus Majowski vollends überzeugt.  

Der Besenkampf der Zwillings-schwestern Lisa und Laura Quarg aus Holk Freytags Inszenierung „Der zerbrochne Krug“ war schon vor der Juryentscheidung als weiterer Höhepunkt geplant. Bevor sie diesen zur Begeisterung des Publikums zeigten, nahmen die eineiigen Zwillinge hoch erfreut den Hersfeldpreis entgegen, der an Darstellerinnen und Darsteller vergeben wird, die sich durch ihre Leistung profiliert haben und die durch ihre sogenannten Nebenrollen die Aufführung aufwerten. Die Auszeichnung soll insbesondere den Nachwuchs-Schauspielern zuerkannt werden. Mit ihrer kühnen Bühnen-präsenz, ihrem komödiantischem Geschick und akrobatischem Körpereinsatz haben sich die ausdrucksstarken Schauspielerinnen diesen Preis mehr als verdient. Die heutigen Preisträger freuen sich über die Auszeichnung ebenso wie die früheren Preisträger Volker Lechtenbrink, Mario Adorf, Helen Schneider, Cornelia Froboess, Uwe Friedrichsen, Jutta Speidel, Julian Weigend, Rufus Beck, Maike Schuurmans oder Marie-Therese Futterknecht. Weitere Informatio-nen unter www.bad-hersfelder-festspiele.de  (GUDRUN SCHMIDL) +++ 

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