"HILFE - eine Spinne" - Achtung Achtbeiner!

Woher kommen eigentlich Phobien? Warum leiden wir darunter?


Fotos: Magdalena Pfeffer

22.06.2015 / FULDA - Wir alle kennen sie: die Leute, die panische Angst vor Spinnen haben. Manche können das nicht nachvollziehen und tun diese Furcht als überzogen ab, andere, die tatsächlich darunter leiden sind oft ratlos, wie sie mit der Konfrontation umgehen sollen. Aber wo liegt die Grenze zwischen bloßem Abscheu und einer ernst zunehmenden psychischen Belastung?



In den extremsten Fällen kann man auch von einer Arachnophobie sprechen. Dr. Hans-Jürgen Hartmann, Fuldaer Psychologe und Spezialist für Phobien, erklärt den Unterschied: "Viele Menschen haben Angst vor Spinnen, aber wenn ihre Abscheu so groß wird, dass ihr privates und berufliches Leben eingeschränkt wird, muss man von einer Phobie sprechen." Er berichtet von Fällen, in denen ein Klempner nicht mehr in Kellern arbeiten und eine Studentin nicht mehr in ihr Zimmer gehen oder in ihr Auto steigen kann, ohne es vorher stundenlang zu durchsuchen, aus Angst auf eine Spinne zu treffen.

Vor allem die, die diese Phobie gar nicht nachvollziehen können, fragen sich, woher sie denn überhaupt kommt. Dr. Hartmann dazu: „Alle Phobien, mit Ausnahme der Angst vor Dunkelheit und der Angst vor lauten Geräuschen, sind erlernt.“ Meist entstünden sie, wenn Kleinkinder die Reaktion der Eltern auf bestimmte Objekte aufnehmen. Also wenn die Mutter sich panisch verhält, wenn sie eine Spinne entdeckt, wird ihr Kind später höchstwahrscheinlich ähnlich reagieren. Oder es ergibt sich eine Situation, in der das Kleinkind etwas sieht und gleichzeitig ereignet sich etwas anderes, wodurch das Kind Schmerzen oder Angst hat. Ein gutes Beispiel ist das Little Albert Experiment, wo einem kleinen Jungen durch Manipulation die Angst vor weißen Ratten aufgezwungen wurde. Gleichzeitig mit einem Bild der Tiere wurde ein Hammer auf eine Eisenstange geschlagen. Dies ging so weit, dass das Kind am Ende Angst vor weißen Bärten hatte, weil diese dem weißen Fell ähneln.

Auch wenn man in seinem Freundeskreis vermutlich mehr Menschen  mit Formen von Arachnophobie hat als andere Phobien, ist sie nicht die am häufigsten vorkommende. Die verbreiteste Phobie ist die Agoraphobie. (Agora heißt auf griechisch Marktplatz.) Dabei haben die Menschen Angst vor öffentlichen Plätzen und können im Extremfall ihr Haus nicht mehr verlassen. Arachnophobie gehört zu den spezifischen Phobien, bei denen die Angst nur durch ein bestimmtes Objekt ausgelöst wird. Aber auch auf diesem Gebiet ist sie nicht die häufigst Phobie: öfter kommt eine Herpetophobie vor, da sie am schnellsten erlernt oder "konditioniert" wird. Es kommt bei Betroffenen, die eine Schlangenphobie haben auch oft vor, dass sie sich vor Regenwürmern, Eidechsen oder anderen Kriechtieren ekeln.

Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die Arachnophobie eine typische ‚Frauenphobie‘ ist. Dies kann der Experte weder bestätigen noch widerlegen, denn Frauen haben generell doppelt so häufig Phobien wie Männer. „Aber“, gibt er zu bedenken, „Männer geben ihre Ängste auch seltener und nur äußerst ungern zu“. Trotzdem kamen bei einer nicht-repräsentativen Umfrage die kuriosesten Geschichten von Frauen und ihrer extremen Spinnenangst zusammen. Sei es eine „Godzilla-große Spinne“, für deren Vernichtung der Freund sogar von der Arbeit nach Hause kommen musste, weil die Betroffene „sonst vor Angst vom Balkon gesprungen wäre“ oder eine Mutter, die sich angesichts einer kleinen Spinne auf dem Arm ihres Babys ernsthaft fragte, ob ihre Mutterliebe ausreicht, um das Tier zu entfernen. (Tatsächlich konnte sie sich schließlich überwinden, die Spinne mit einem "Instrument" vom Babyarm zu schnipsen.) Nur eine der Befragten zeigt sich den Achtbeinern gegenüber eher unbeeindruckt, sie hat dafür aber Angst vor Motten.

Den Spruch: „Sie haben mehr Angst vor dir, als du vor ihnen“, kennt sicher jeder. Dr. Hartmann berichtet dazu aus seinen Therapiestunden, dass er eine Spinne in ein Glas setzt und die Patienten den Deckel abschrauben und ihre Hand stattdessen auf die Öffnung legen müssen. Damit will er zeigen, dass die Spinne die Hand meidet, wenn das Glas herumgedreht wird. „Wichtig ist, dass man die Konfrontation sucht, um seine negative Wertung der Spinne zu ändern. Sie wird nicht versuchen zu beißen, oder in Mund und Nase krabbeln. Das schlimmste ist eine Vermeidungshaltung, denn dann wird sich nie was ändern.“

Aber seien wir ehrlich. Außerhalb eines (gut verschlossenen!) Terrariums wollen sich nur die wenigstens den Krabbeltieren nähern. (Theresa Sangmeister)+++

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