Im Schlaf erstickt?

Totes Kind lag halbes Jahr unentdeckt in Wohnung - Eltern hatten Angst vor Polizei


Alle Fotos: Christian P. Stadtfeld

16.06.2015 / KREIS FULDA - Als schreckliche Gewissheit hat sich heute Vormittag der Hinweis eines anonymen Anrufers bei der Redaktion von OSTHESSEN|NEWS herausgestellt, der vom Fund eines toten Kindes im Kreis Fulda berichtete. Angeblich sei der Säugling verhungert. Auf Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft Fulda musste deren Sprecher Lars Streiberger zwar bestätigen, dass bereits am vergangenen Montag ein sechs Monate alter Junge tot in einer Wohnung im Kreisgebiet von Fulda gefunden wurde. Der kleine Junge habe dort bereits seit mehreren Monaten gelegen, der Leichnam sei entsprechend stark verwest gewesen. Doch sei das Kind nachweislich nicht Hungers gestorben. Die Eltern, die wohl in schwierigen sozialen Verhältnissen leben, hätten laut Staatsanwalt angegeben, dass der kleine Junge neben seiner Mutter auf einer Matratze geschlafen habe. Diese habe sich versehentlich im Schlaf auf das Kind gelegt und es dabei erstickt.



Offenbar waren beide Eltern nach der Feststellung des Todes ihres Sohnes in Panik geraten und hatten aus Furcht vor der Polizei niemanden darüber informiert. Den Leichnam des Jungen hatten sie in einen Kinderwagen gelegt und zugedeckt. Anscheinend hatten sie selbst die Wohnung anschließend nicht mehr betreten und bei Freunden und Bekannten übernachtet. Die Angst vor der Polizei war vermutlich dadurch begründet, dass der Vater dort kein Unbekannter sein soll. Beide Eltern sollen auch Drogen- und Alkoholprobleme haben oder gehabt haben. Den Hinweis, der vergangene Woche zur Auffindung des Leichnams in der leerstehenden Wohnung führte, war ebenfalls anonym bzw. unter Nennung eines falschen Namens erfolgt.

Die bereits durchgeführte Obduktion kann laut Streiberger Verhungern oder Gewalteinwirkung als Todesursache ausschließen, auch sei das Kind dem Anschein nach wohl nicht vernachlässigt gewesen. Ob die Version der Eltern, die diese Woche für eineinhalb Tag in Haft waren, zutrifft - und es sich demnach um einen tragischen Unfall gehandelt habe, könne man zur Zeit weder definitiv bestätigen, noch dementieren. Es gebe derzeit keine Anhaltspunkte, die auf eine andere Ursache hinwiesen. Eine toxikologische Untersuchung, deren Ergebnis noch aussteht, soll zusätzlich Klarheit darüber erbringen, ob irgendwelche giftigen Substanzen nachweisbar sind. 

Jugendamt kannte die Familie

Die nahe liegende Frage, ob das Jugendamt über die vermutlich schwierigen häuslichen Verhältnisse der Familie Bescheid wusste, konnte mittlerweile geklärt werden. Dessen Leiter Stefan Mölleney war die Familie bekannt, weil es während der Schwangerschaft Hinweise gegeben habe, dass dort nicht alles zum Besten stünde. Daraufhin habe das Amt mit den Eltern sogenannte niedrigschwellige Hilfen vereinbart, die auch angenommen worden seien. Durch eine nicht wahrgenommene Untersuchung des Kindes beim Kinderarzt sei das Amt erneut informiert worden und ausgerechnet an dem Tag, als eine Mitarbeiterin bei der Familie deshalb nachfragen wollte, traf sie dort auf die Polizei, die den toten Säugling entdeckt hatte. Die Jugendamtsmitarbeiterin habe diese Situation geradezu als Albtraum erlebt. 

Stefan Mölleney will mit seinen Mitarbeitern das tragische Geschehen noch einmal aufarbeiten, sieht aber keinen grundsätzlichen Nachbesserungsbedarf beim Vorgehen seiner Behörde. Es habe keinen Hinweis auf Kindswohlgefährdung gegeben - und der tragische Unglücksfall stehe nach heutiger Erkenntnis nicht im ursächlichen Zusammenhang mit den Lebensverhältnissen der Eltern.

Wenn weitere Einzelheiten und Erkenntnisse über die Todesursache und die näheren Umstände vorliegen, werden wir diese Meldung ergänzen.+++ci




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