Willkommen bei uns in Osthessen (5)
Jacqueline HOFFMANNs schwierige Aufgabe in "Urwald"-Unterkunft Immensee
Fotos: Gudrun Schmidl
19.05.2015 / RONSHAUSEN -
Es ist halb neun Uhr. Jacqueline Hoffmann fährt mit ihrem Auto auf dem Hof der Gemeinschaftsunterkunft Immensee vor, um Yasna, Sama, Walid, Ahmad und Mohamad abzuholen, die sie zum Kindergarten in Ronshausen bringt. Vor der Abfahrt kommt ein größerer Junge neugierig näher. Es ist Shayar, vor einem Jahr ist er mit seiner Familie von Syrien nach Deutschland gekommen. Wie ich später beim Pressegespräch erfahre, ist der perfekt deutsch sprechende Junge, der die dritte Klasse der Grundschule Ronshausen besucht, Klassenbester und außerdem ein begnadeter Tischtennisspieler.
Es sind die Kindergarten- und Schulkinder, die in der Gemeinschaftsunterkunft Immensee ihren Eltern die fremde Sprache lernen. Deutschunterricht wird den erwachsenen Asylbewerbern seit dem Rückzug eines Freiwilligen nicht mehr erteilt. Überhaupt sind die 34 Erwachsenen und Kinder, die gemeinsam unter einem Dach leben, sehr isoliert. Ihre Ansprechpartner sind der arabisch sprechende Heimleiter Rachid Amhandi vom Fachdienst Migration des Landkreises Hersfeld-Rotenburg, Hausmeister Jean Pierre Rambert und die Ehrenamtlichen. „Die Syrier haben in ihrer Heimat in der Stadt gewohnt, sie sind natürlich von einer guten Infrastruktur verwöhnt“, bemerkt Jacqueline Hoffmann eine gewisse Anspruchshaltung, die nicht ganz unberechtigt ist.
Die Vierunddreißigjährige, die Politikwissenschaft, Sozialwissenschaft und Wirtschaft studiert hat, weiß wovon sie spricht. Längere Auslandsaufenthalte in Russland, den USA, in Holland und Äthiopien haben ihr Weltbild geprägt. Offen, hilfsbereit und verständnisvoll verbindet sie ihre Berufstätigkeit am Frauenhofer Institut in Darmstadt, wo sie jeweils drei Tage pro Woche verbringt, mit ihrem ehrenamtlichen Einsatz. Die junge Witwe, die ihren Mann durch einen tragischen Unfall verlor, weiß in dieser Zeit ihren Sohn Dariuzs bei den Schwiegereltern in Ronshausen, wo er auch den Kindergarten besucht, in den besten Händen.
Obwohl sie auch mal sagen muss: „So geht das jetzt nicht“, wird ihre Anwesenheit und Zuwendung von den Asylbewerbern geschätzt. Mit Worten, einer Einladung zum Essen oder einem Blumengruß zeigen sie ihre Dankbarkeit ihr und allen Ehrenamtlichen gegenüber. Dennoch gibt es auch Situationen, die Jacqueline Hoffmann dauerhaft nerven. Dazu gehört, dass die Bewohner von morgens bis abends die Lichter brennen lassen, ihr Geschirr unter fließendem Wasser abwaschen oder der Müll nicht wie gelernt sortiert wird. „Gelbe Säcke gibt es hier nicht mehr“. Die zahlreichen gespendeten, funktionstüchtigen Fahrräder für Erwachsene und Kinder wurden anfangs von einigen Bewohnern genutzt, um die überschaubare Strecke zum Kindergarten oder zum Einkauf im nahen Ronshausen selbst zu bewältigen. Jetzt stehen sie im Unterstand oder fallen um, weil ein Fahrradständer fehlt. Der Fahrdienst nach Ronshausen sollte nur bei schlechtem Wetter aufrecht erhalten bleiben. „Es funktioniert nicht. Sie verlassen sich auf uns“.
Bei allem Einsatz und der starken Verbundenheit mit den Menschen sieht die engagierte junge Frau, die von einer extremen Trennung nach Religionen und Kulturkreisen im Zusammenleben nicht überzeugt ist, die Asylbewerber in der Pflicht gemäß dem Motto: „Ich helfe Euch, Euch selbst zu helfen“. Soll heißen, die Hausbewohner sollen aktiver werden, die vereinbarten Arzttermine generell wahrnehmen, kleinere Reparaturen vornehmen, die vorhandenen Fahrräder nutzen oder in eine Busfahrkarte investieren.
Ehrenamtlicher Einsatz ist weiterhin unbedingt erforderlich, bestenfalls mit Unterstützung von Fachkräften, die auch die Koordination übernehmen. Damit sich die Menschen besser mitteilen können, müssen sie ihre Deutschkenntnisse verbessern mithilfe eines Lehrers vor Ort. Was sie zum Leben brauchen, ist da. Den erwachsenen Bewohnern in der Gemeinschaftsunterkunft Immensee fehlt aber vor allem eins: Kommunikation! (Gudrun Schmidl) +++