Festspiel-Stars im Portrait (1)

Mütter im Gewissenskonflikt: Andrea CLEVEN, Marie Therese FUTTERKNECHT und „Der zerbrochne Krug“

Andrea Cleven (links) und Marie Therese Futterknecht freuen sich über ihre Zusammenarbeit

16.05.2015 / BAD HERSFELD - Sie könnten Schwestern sein oder beste Freundinnen. Niemand käme auf die Idee, dass die beiden attraktiven Frauen, auf der Terrasse der Festspielkantine sitzend und erfrischende Limonade trinkend, Mutter und Tochter sind. Sind sie im wahren Leben auch nicht, auch wenn Andrea Cleven feixt: „Wir sehen uns jeden Tag, Mutti!“. Diese Worte richtet sie an Marie Therese Futterknecht, die bei Holk Freytags diesjähriger Festspielinszenierung „Der zerbrochne Krug“ von Heinrich von Kleist als Marthe Rull die Mutter von Eve (Andrea Cleven) verkörpert.



„Davor war es ein seltsames Gefühl“, kommentiert Marie Therese Futterknecht den ersten Eindruck der Verteilung der Rollen. Jedoch: „Wenn wir zusammen spielen, verschwenden wir keinen Gedanken daran“, teilen sie und ihre Bühnentochter die Erfahrung aus der laufenden Probenarbeit. „Es fühlt sich normal an“, bestätigt Andrea Cleven und beide betrachten es als Kompliment, dass ihr Spiel von Anfang an als „irgendwie geübt“ gelobt wurde. Andrea Cleven und Marie Therese Futterknecht sind seit Jahren feste Größen bei den Bad Hersfelder Festspielen. In der Spielzeit 2014 brillierte Andrea Cleven in der Hauptrolle in dem Mittelalterstück „Die Wanderhure“ als Welturaufführung, ihre Schauspielkollegin Marie Therese Futterknecht wurde für ihre grandiose Darstellung der Titelrolle in Friedrich Schillers „Maria Stuart“ mit dem „Großen Hersfeldpreis“ ausgezeichnet.

In diesem Jahr geht die Hersfeldpreis-Gewinnerin wesentlich entspannter an ihre Rolle heran. „Im vorigen Jahr hat mir Holk Freytag bei dieser glückhaften Arbeit das Vertrauen geschenkt, diese schwierige Rolle der Maria Stuart zu meistern. Ich hatte das Gefühl, dass ich was beweisen muss – erhebliche Zweifel eingeschlossen“. Sich voll und ganz auf ihre Arbeit konzentrieren kann sich die Bühnenschauspielerin auch, weil ihre drei Jahre alten Zwillinge Alma und Samuel in ihrer vertrauten Umgebung in München geblieben sind, wo sie auch den Kindergarten besuchen. In den letzten beiden Spielzeiten waren ihre Kinder in Begleitung ihres Vaters in Bad Hersfeld dabei, was bei Marie Therese Futterknecht dennoch täglich dazu führte, den immer wieder schwierigen Spagat zwischen Kindern und Beruf zu bewältigen.


Spagat zwischen Beruf und Familie

„Wenn du als Mutter arbeitest, begleitet dich immer ein schlechtes Gefühl“, bestätigt Marie Therese Futterknecht und bekräftigt ihre Motivation, es dennoch zu tun: „Meine Kinder wissen, dass ich gerne arbeite, sie sollen aufwachsen mit dem Gefühl, dass Mama Freude hat, an dem was sie tut“. Zwei Besuche der Familie in Bad Hersfeld sind geplant und so oft es geht, wird die junge Mutter nach München fahren. So auch am Muttertag, an dem ihre Zwillinge entschieden, ihre Wutanfälle zur Perfektion zu bringen, wie sich das in dem Alter gehört. Trotzdem wurde zur Freude der Mama der eigens eingeübte „Elefantentanz“ mit passender Maskierung aufgeführt.

Obwohl Andrea Cleven während ihres Engagements die Möglichkeit hat, mit ihrer Tochter Carla bei ihrer Mutter in Bad Hersfeld zu wohnen, konnten sie den Muttertag nicht gemeinsam feiern. „Ich mag solche symbolischen Tage gern“, gesteht sie und findet auch im 21. Jahrhundert den Muttertag, an dem die Mütter – eben weil sie es verdienen – im Mittelpunkt stehen, alles andere als altmodisch. Wegen ihrer Abwesenheit hat die Schauspielerin schon im Vorfeld zwei gewünschte Gartenpflanzen als Dankeschön besorgt. Andrea Cleven wurde von ihrer zweijährigen Tochter mit Papierröschen beschenkt, die sie im Kindergarten gebastelt hat, der momentan allerdings bestreikt wird.

Die Betreuung muss neu organisiert werden, was die Gratwanderung der jungen Mutter, die auch zuhause in Berlin auf „Fremdbetreuung“ von Carla angewiesen ist, noch verstärkt. Sie gesteht: „Man kommt aus dem schlechten Gewissen gar nicht raus“. Auf der einen Seite möchte sie befriedigend arbeiten, andererseits aber auch genügend Zeit für ihr Kind haben. Beim Drehen ist es für sie einfacher, dann kann sie nachmittags und abends für Carla da sein. Bei Bühnenengagements bringen sie abendliche Proben und die Vorstellungen immer wieder „weg vom Kind“. Da ist der Rückhalt aus der Familie natürlich eine große Hilfe, der ihr auch bei ihrem Gastspiel am Kasseler Staatstheater zuteilwurde. In dem Weihnachtsmärchen „Aladin und die Wunderlampe“ spielte sie sich als „Scheherazade und Prinzessin Fata Morgana“ in die Herzen des Kasseler Publikums, für die Andrea Cleven keine Unbekannte ist. Von 2004 bis 2008 gehörte sie zum festen Ensemble des Kasseler Staatstheaters.


Erstmals Zusammenspiel in der Ruine

Marie Therese Futterknecht berichtet von ihrer Arbeit in dem Drama „Weibsteufel“, mit dem sie in der Zwischenzeit am Vorarlberger Landestheater in Bregenz gastierte. Eine Dreiecksgeschichte um Liebe und Leidenschaft, Macht und Verführung. Momentan liegt die Konzentration auf ihrer neuen Herausforderung bei den Bad Hersfelder Festspielen. Erstmals steht sie gemeinsam mit Schauspielkollegin Andrea Cleven auf der Festspielbühne. Eine direkte Zusammenarbeit hatte sich bisher nur 2011 am Spielort „Schloss Eichhof“ in der Komödie „Halbe Wahrheiten“ von Alan Ayekbourn ergeben. Hier standen sich Marie Therese Futterknecht und Andrea Cleven als Ehefrau und Geliebte gegenüber.

Nun also als Mutter Marthe, deren Tochter Eve ein gutes, braves Mädchen ist, aber trotzdem ein gefallenes Mädchen sein könnte. „“Hilf mir, Mutti!“, bittet Andrea Cleven. „Für die schrecklichen Worte braucht man die Mutter“, grinst Marie Therese Futterknecht und spricht aus, dass ihre Bühnentochter Hure genannt wird. Cleven ist sozusagen Huren-erprobt. In der Fernsehserie „Alles was zählt“ hat sie eine Frau gespielt, die tagsüber als Ärztin und nachts als Prostituierte arbeitet. In „Die Wanderhure“ spielte sie die schöne Kaufmannstochter Maria Schärer, die durch kriminelle Machenschaften ihren Lebensunterhalt als Prostituierte verdienen muss. Es gibt durchaus Ähnlichkeiten in den Lebensgeschichten der Maria Schärer und Eve. Bei der Inszenierung von „Der zerbrochne Krug“ soll allerdings die Behauptung, sie sei eine Hure, im Raum stehen bleiben.

„Einen roten Faden zwischen Maria Stuart und Marthe Rull kann ich beim besten Willen nicht erkennen“, lacht Marie Therese Futterknecht, die in einer der großartigsten Komödien der deutschen Literatur als Marthe Rull gemeinsam mit dem Dorfrichter Adam und Gerichtsrat Walter die Wahrheit ans Licht bringen will. Premiere des Lustspiels ist am Samstag, 13. Juni 2015, um 21.00 Uhr. Weitere Informationen und Tickets unter www.bad-hersfelder-festspiele.de. (Gudrun Schmidl)+++

Ein freudiges Wiedersehen mit Stefan Reck, der bei der Komödie\r\n„Halbe Wahrheiten“ als Ehemann und Geliebter mit den beiden\r\nSchauspielerinnen auf der Bühne stand
Fotos: Gudrun Schmidl

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