SIEBTE ETAPPE WETZLOS-KAPSTADT
Afrika-Tour: JOSHUA (23) mit dem Bike in Kamerun - "Wir sind alle Menschen"
19.04.2015 / HAUNETAL / AFRIKA -
"Wir biegen von der traumhaften Asphaltstraße am Fuße der Obudu Mountains in eine unscheinbare Piste ein. Die ersten Kilometer lassen sich entspannt durch kleinere Wäldchen und Orte rollen. Im ersten etwas größeren Ort stoppt uns die Youth Miliz relativ aggressiv nachdem wir zuvor ihre “Halt” Rufe ignoriert haben. Sie knöpfen uns eine kleine Gebühr für die angebliche Straßeninstandhaltung ab. Tatsächlich wird die Piste von der Regierung nicht gefördert und muss zum Schmuggeln von Waren und für Verwandtenbesuche von den Einheimischen, meist beschäftigungslosen Jugendlichen, instandgehalten werden.
Vor der Grenze werden wir von ein paar auf einem Baumstamm sitzenden älteren Herren zum Halten aufgefordert. Auf den zweiten Blick erst sind sie anhand der sehr kleinen Marke auf ihrer Alltagskleidung als Polizisten zu erkennen. Sie stempeln die Pässe ordnungsgemäß ab und wir halten noch ein kleines Schwätzchen. Die Route wird jetzt zwischen den beiden Ländern deutlich schlechter und Gerd hat mit seiner schweren GS Probleme die Gräben und Steine zu umzirkeln. Es kommt zu zahlreichen Stürzen die letztendlich zu einem Leck in der hydraulischen Kupplungsleitung führen. Wir schlagen bereits gegen Mittag unweit der Unfallstelle unser Lager an einem schönen Fluss auf.
Wir lernen viele nette Schmuggler kennen, die alle möglichen günstigen Waren mit ihren kleinen Bikes von einem Land ins andere transportieren. Ohne Zoll versteht sich. Viele gehen auch von Kamerun aus nach Nigeria um zu arbeiten, da dort angeblich besser bezahlt wird. Man trifft auch viele Frauen die ihre geschätzten 15 Kilogramm schweren Säcke mit Orangen und Bananen auf die Märkte in die nächsten größeren Orten tragen, teilweise 20 Kilometer weit. Nach kurzer Zeit sind wir bereits auf der ganzen Route bekannt. Ich schwinge mich nochmal auf die XT, um in Akwaya, der ersten Stadt in Kamerun einige Lebensmittel für das Abendessen einzukaufen.
Gerd bleibt mit den Bikes an der Grenze. Hans ist in diesem Fall der Stadtmagistrat von Akwaya, zu dessen Haus mich eine nette Bananenverkäuferin, welche ich am Vortag kennenlernte, führt. Man lernt sich nach etwas Händeschütteln schnell kennen. Ich habe die Sympathie nun auf meiner Seite. Der Assistent des Magistrats wird sogleich mit mir geschickt um für Ordnung im kleinen Städtchen zu sorgen. Nach 30 Minuten Spaziergang wird an der Grenze verhandelt. Alle Ausreden des Polizisten helfen nichts und wir passieren die Grenze nach kurzer Zeit mit offiziellem Stempel und ohne einen Cent zu bezahlen. Die Sonne schickt sich schon wieder an hinter den Hügeln zu versinken. Wir schaffen noch ein paar Kilometer und schlagen unser Lager direkt an einem größeren Fluss auf.
Ich springe mit den Einheimischen von den naheliegenden Felsen in die Becken des Flusses. Mit den ersten Mücken entzünden wir in der Dämmerung ein Feuer, um die Plagen fern zu halten. Die Jungs vom Klippenspringen bringen uns eine Papaya zum Abendbrot. Mit Kopfschmerzen und etwas Übelkeit lege ich mich früh auf die Matte. Mit der Hoffnung auf eine Besserung der Pistenverhältnisse sind wir optimistisch heute etwas schneller voranzukommen. Nach den ersten schönen Kilometern allerdings wird es immer steiler und felsiger. Wir machen 10 Kilometer gut, als sich der der schlauchlose Reifen der BMW von der Felge schiebt. Völlig luftleer ist das Heck der BMW nicht mehr unter Kontrolle zu bringen und ein Sturz vorprogrammiert.
Mit Eskorte geht es in den nächsten Ort zum einzigen "Hotel". Das Zimmer ist kostenlos. Eine Zelle mit vier Quadratmetern, ohne Licht oder Fenster, geschweige denn ein Moskitonetz. 300 Meter zur nächsten Toilette und kein Wasser. Internet oder eine Telefonverbindung ist hier nicht verfügbar. Dafür aber jede Menge Mücken und Schaben. Die Nacht wird hart. Da ich aus den Symptomen nicht schlau werde, kann ich mich schwerlich selbst behandeln. Ohne ausgewogene Ernährung und sauberes Wasser ist eine Besserung meines Zustandes kaum zu erwarten. Am nächsten Morgen kann ich den Hotelbesitzer überzeugen mit seinem alten Toyota Landrover Gerd zu suchen. Auf halbem Weg versagt der Motor und wir müssen in der Hitze zurücklaufen.
Unter Einsatz aller meiner Reserven, ein paar Bananen und etwas Schmerzmittel wird die Maschine getankt und angeworfen. Sie trägt mich in fünf Stunden tatsächlich über 100 Kilometer bis nach Bamenda. Dicht gefolgt von Gerd auf dem Mototaxi. Gerd gibt mir ein Hotel aus und die nächsten Tage wird geschlemmt um die 5 Kilogramm Gewichtsverlust der letzten Tage auszugleichen. Mit Hilfe des in Deutschland ausgebildeten Hotelmanagers Josef, finden wir eine sehr gute Klinik in Bamenda. Ein in Heidelberg ausgebildeter Arzt nimmt sich meiner an und hört sich erstmal alle meine Symptome an. Die Behandlung übernimmt dann Mafu Foma, eine sehr kompetente einheimische Ärztin, die in Amerika studiert hat.
Ohne die Hilfsbereitschaft der Menschen hier hätte die Situation wesentlich brenzliger werden können. Die vielen Papayas, die uns gebracht wurden, als unser Essen knapp wurde. Die Verpflegung die Gerd in dem kleinen Ort nach dem Defekt seiner GS genießen durfte. Das nahezu kostenlose "Hotel“ und die vielen Helfer die mich dort mit Obst und Reis versorgt haben. Die beiden Biker, die ihren Sprit mit mir teilten und mich zum Hotel eskortierten. Der Taxifahrer, der Gerd gefunden hat und die Piste bis nach Bamenda zu zweit auf dem kleinen China Bike gefahren ist. Josef, der mich den Ärzten vorgestellt und zur Untersuchung und Apotheke chauffiert hat. Und all das war nie eine Frage des Geldes. Wenn ich hier frage warum man uns hilft, bekomme ich erklärt: "Nous sommes tous l`hommes", Wir sind alle Menschen. +++