NACHGEDACHT 119

Geschwisterliebe: Gedanken von Christina LEINWEBER



19.04.2015 / REGION - Sonntags vormittags schafften es meine Schwester und ich nicht, den Salat für das Mittagessen vorzubereiten, weil wir wieder über irgendetwas streiten mussten. Es endete damit, dass eine Schwester Salatöl auf dem Kopf hatte. Mittlerweile ist dies gute fünfzehn Jahre her. Und meine Schwester und ich lachen heute herzlich über diese Geschichte. Denn damals, als wir noch gemeinsam bei meinen Eltern wohnten, verstanden wir uns gar nicht so gut. Als dann allerdings meine Schwester zum Studieren fortging, brach die große Sehnsucht aus. Ich war nicht mehr ganz. Ein ganz großer Teil von mir fehlte.



Auch heute noch wohnt meine Schwester weit weg. Wir versuchen die Weite zu kompensieren: mit einer Nachricht, einem Anruf, manchmal mit Karten und Briefen. Ein Tag, an dem ich nichts von ihr gehört habe, ist ein leerer Tag. Und wenn man sich dann sieht, ist es, wie als werde der Alltag aufgewertet: Wenn meine Schwester im schönen Fulda ist, dann nimmt man sich – egal wie viele Termine anstehen – Zeit für eine echte Begegnung. Da man weiß, dass es bald wieder anders ist.

Obwohl wir so unterschiedlich sind, obwohl wir manchmal komplett andere Ansichten haben, können wir darüber hinwegsehen. Wir wissen, dass wir verbunden sind. Wir kennen uns besser als jeder andere. Wir kennen unsere tiefsten Zeiten und unsere besten Momente. Geschwisterliebe ist eine der schönsten Lieben: Sie kann ein Leben lang halten und überwindet auch die Ferne. Ich bin froh, eine Schwester zu haben. Ohne sie wäre ich nicht ganz. (Christina Leinweber)+++


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ZUR PERSON: Christina Leinweber, 1988 geboren in der osthessischen Bischofsstadt Fulda, neun Jahre katholisch-private Schulausbildung – so war der Weg zum Theologiestudium für sie vorbestimmt und beschlossen. Es ging dann für vier Jahre Studium in die nächste Bischofsstadt Paderborn - hat inzwischen ihr 1. Staatsexamen in der Tasche und ist seit Anfang November 2013 im Schuldienst des Landes Hessen. Ihre Tätigkeit als Kolumnistin bei osthessen-news.de möchte sie auch in Zukunft fortsetzen. Sie selbst bezeichnet sich als liberal-theologisch und kommentiert (seit 119 Wochen) in der Serie "NACHGEDACHT" Dinge des Alltags aus ihrer persönlichen Sicht. +++


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