Generalprobe auf der Autobahn

Wie der „Böhmische Traum“ nach Südfrankreich kam!

Generalprobe auf einem französischen Autobahnrastplatz unter den gestrengen Augen der Beamten vom Zoll

15.04.2015 / BISCHOFSHEIM/MANDUEL - Querflöte, Posaune, Tuba und Schlagzeug – scheinbar ein außergewöhnlicher Anblick – zumindest für die französischen Zollbeamten, die gerade auf einem Rastplatz an der Autobahn einen LKW kontrollierten: Die strengen Mienen der Zöllner entspannten sich, als die ersten Takte der Marseillaise, der französischen Nationalhymne, erklangen. Unter der Leitung der Dirigentin Mareike Wütscher fand hier nämlich die Generalprobe der Rhöner Musikanten statt, die sich auf dem Wege ins südfranzösische Manduel befanden, der Partnerstadt Bischofsheims.

Seit zehn Jahren besteht die Freundschaft der beiden Kommunen und sie sollte jetzt erneuert werden, was im Laufe des Aufenthaltes auch feierlich getan werden sollte: Bereits die Ankunft der Rhöner gestaltete sich spektakulär. Nach 15 Stunden Fahrt im Reisebus ohne jegliche Zwischenfälle, stoppte ein Polizist das Fahrzeug, leichte Unruhe machte sich unter den Passagieren breit. Jedoch ganz umsonst, die Kommunalpolizei empfing und eskortierte die Bischofsheimer bis zum Rathaus Manduels, wo ihnen das Stadtoberhaupt Jean-Jaques Granat und die Gastfamilien einen herzlichen Empfang bereiteten. Es folgte ein Umtrunk in der Stadthalle mit einigen Begrüßungsansprachen, begleitet von provencalischer Musik, bestehend aus den Klängen von „galupet e tambourin“, einer schmalen langen Flöte und einer schlanken Trommel. Die Musikanten, in Trachten der Provence gekleidet, spielten beide Instrumente gleichzeitig; mit der rechten Hand schlugen sie die Trommel und mit der linken hielten sie die Flöte – eine eindringliche und sehr hochtönige Musik.

Musik verbindet



Die Musik zog sich wie ein roter Faden durch die Reise der Rhöner. Der Präsident des Bischofsheimer Partnerschaftskomitees Gerhard Nägler ist selber ein begeisterter Musikant und hatte deshalb die Idee, ein besonderes Gastgeschenk mit nach Südfrankreich zu bringen, nämlich seine Kollegen der Haselbacher Trachtenkapelle. Leider konnten nicht alle Musikanten mit nach Manduel fahren und die Kapelle war nicht spielfähig, besonders das sogenannte „Hohe Blech“, bestehend aus Trompete, Flügelhorn und Waldhorn, war zu schwach vertreten. Die kreativen Rhöner fragten bei befreundeten Musikanten an und so kam es, dass die Haselbacher Verstärkung aus Schönau, Wargolshausen und sogar Bad Königshofen bekamen.

Zwei von ihnen waren die Wargolshäuser Freunde Elias Hartung und Ralf Gans. Der eine wollte nicht ohne den anderen mitkommen, am Ende waren sie glücklich mitgefahren zu sein, denn ihre Gastfamilie residiert in einem schönen alten Haus in der Mitte Manduels voller Flair und Lebensart und einem wunderschönen Innenhof. Die Hausherrin Evelyne ist eine begnadete Malerin, die sich auf Porträts spezialisiert hat. Besonders beeindruckend fanden die beiden ein Bild von dem Sänger Seal, das seinen Platz in der Küche hatte. „Ich bin froh, dass ich in so einem schönen Haus wohnen darf,“ freute sich Elias und sein Freund Ralf nickte zustimmend mit leuchtenden Augen.
Was den beiden sehr entgegen kam, waren die Sprachkenntnisse der Gastgeber. Beide Hausbewohner sprachen zum Glück fließend Deutsch, denn die jungen Männer sprechen kein Wort Französisch. Und so erging es vielen Gästen mit ihren Gastgebern, aber auch fehlende Deutsch- und Französischkenntnisse waren kein Hindernis der Kommunikation, einige Deutsche beherrschten das Französische, andere behalfen sich mit dem Englischen. Eine ganz findige Französin nutzte gar das Übersetzungsprogramm ihres Computers, zur Freude ihrer Rhöner Hausgäste, die so auch ihre Sätze übertragen ließen.

Partnerschaft erneut besiegelt

Am Abend des ersten Tages wurde dann in einer feierlichen Zeremonie die seit zehn Jahren bestehende Freundschaft der beiden Städte aufs Neue besiegelt. Die beiden Bürgermeister Jean Jaques Granate für Manduel und Udo Baumann für Bischofsheim unterzeichneten erneut eine Urkunde, die den Willen beider Gemeinden dokumentiert, diese Freundschaft zu vertiefen. Die Haselbacher Trachtenkapelle spielte nacheinander die Französische, die Deutsche und die Europäische Nationalhymne. Im Anschluss marschierten die Freunde von der Innenstadt zum Festsaal neben der Stierkampfarena, wo sich ein fröhlicher Abend mit Musik und Gesang anschloss. Im Wechsel spielten Musikanten aus Manduel mit der Trachtenkapelle, die für ihre Stücke immer kräftigen Applaus bekamen.

Umfangreiches Besuchsprogramm

Die Freunde des französischen Partnerschaftskomitees hatten ein umfangreiches Besuchsprogramm ausgearbeitet und den Gästen aus der Rhön wurde es keine Minute langweilig! An den drei Tagen ihres Aufenthaltes besuchten sie das mittelalterliche Städtchen Aigues Mortes, das moderne Nîmes, lernten bei einer Stadtführung die romantischen Eckes Uzès kennen, besuchten eine Stierfarm, eine sogenannte Manade, machten einen Abstecher ans Mittelmeer, wo man vom Dach der Kirche einen herrlichen Blick auf das Meer und die Camargue hatte und besuchten das berühmte Aquädukt Pont du Gard, eine UNESCO-Welterbestätte.

Am Abend des zweiten Tages lud der Präsident des Freundschaftskomitees aus Manduel Marc Kreydenweiss zur Weinprobe auf sein Weingut nahe der Stadt ein. Der Rhöner weiß, Wein und leckere Speisen munden doppelt gut, wenn sie von Musik begleitet werden und so holte der Frankenheimer Klaus Emmerling, auch bekannt als Zauber-Klaus, spontan seine kleine Musikanlage aus dem Bischofsheimer Reisebus und bereicherte den Abend mit seinen Liedern. Tags zuvor hatte er bereits eine kurze Unterhaltungseinlage gegeben und die Zuschauer mit einem Zaubertrick und einer Luftballon-Basteleinlage unterhalten.

Alte und neue Freunde

Carolin Reitz schwärmt von den schönen Tagen in der Camargue, das Wetter war herrlich warm, für Rhöner Verhältnisse waren es Frühsommertage. Carolin hatte vor einigen Jahren bereits als Schülerin die Gegend besucht und die Gelegenheit zu einer erneuten Reise nach Manduel gerne wahrgenommen. „Es war einfach schön“, sagte sie schwärmend und drückte das aus, was die meisten empfunden haben: drei unbeschwerte Tage bei neuen und alten Freunden verbringen. Einige kannten sich bereits von früheren Besuchen und begrüßten sich herzlich. Am Ende des Besuches verabschiedeten sich auch die neuen Freunde, als würden sie sich bereits sehr lange kennen.

Auch am letzten Abend des Besuches spielte die Musik die Hauptrolle. Die Trachtenkapelle zeigte einen kleinen Querschnitt ihres Repertoires, von der Volksmusik bis zum Bigband-Sound. Gemeinsam sang man das deutsche Volkslied „Sah ein Knab ein Röslein steh´n“, das Kreuzberglied und als krönenden Abschluss sangen alle gemeinsam die Regionalhymne der Provence, das Lied „Coup santo“. Und der „Böhmische Traum“? Es war das letzte Volksmusikstück der Haselbacher Trachtenkapelle, das sich eine Bischofsheimerin gewünscht hatte. So kam der „Böhmische Traum“ bis nach Südfrankreich.+++ara

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