SECHSTE ETAPPE: WETZLOS - KAPSTADT
Mit dem Motorrad durch Afrika: JOSHUA (23) in Nigeria
26.04.2015 / HAUNETAL/AFRIKA -
"Um nach Nigeria einzureisen, wähle ich einen kleinen Grenzübergang etwas nördlich von Porto Novo. Das “Auschecken” in Benin läuft reibungslos. Durch eine stacheldrahtbewehrte Schleuse komme ich auf die nigerianische Seite der Grenze. Hinter dem großen Grenzgebäude wird das Bike unter Bewachung geparkt und zum ersten Mal an einer Grenze bekomme ich Temperatur gemessen, meine Gelbfieberimpfung wird überprüft und der Impfpass in Augenschein genommen. Ich durchlaufe den üblichen Polizeicheck und mein Carnet wird vom Zoll gestempelt. Auch eine offizielle Erklärung über zu verzollende Ware muss unterschrieben werden.
Hin und wieder kommt durchaus die Frage, ob ich denn ein paar Euros aus Deutschland mitgebracht habe. Nachdem ich den Sheriffs allerdings meine Geschichte und meine positiven Intentionen schildere, werden meisten ein paar Witze über den kleinen Mann auf großer Tour gerissen und wir verstehen uns blendend. Zum ersten Mal ist es hier sogar möglich, die Offiziellen zu fotografieren. Sie genießen die Publicity und möchten auf jeden Fall aufs Titelbild der deutschen Zeitungen kommen. Die folgende Straße ist in gutem Zustand.
Nach kurzer Fahrt stoppe ich in einem kleinen Ort um mal wieder etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Was ich für ein kleines Straßenrestaurant halte ist wohl doch nur eine private Kochsession für die Familie. Umso größer ist dann jedoch die Begeisterung, als ich mich dazu geselle. Englisch ist hier wieder vorherrschend und fast alle sprechen hier fließend, jedoch mit dem ein oder anderen schwer verständlichen Akzent. Was als kurze Stärkung geplant war, artet in eine Art Familienfest aus. Als mir schließlich ein Schlafplatz angeboten wird, lasse ich mich breitschlagen.
Der Rauch und die Abgase sind kaum zu ertragen. Die Geschwindigkeit muss bergauf gedrosselt werden, da man bei den Rußwolken der Lkws teilweise nur wenige Meter weit sieht. Das es keinen Anreiz zur Ökonomisierung gibt, merkt man schon am Spritpreis von 46 Cent pro Liter. Der Verkehr hier ist nahe den Metropolen milde gesagt überlastet. Und was der Verkehr in der Stadt an Dunst produziert, übernimmt in den ländlichen Gebieten die Brandrodung der Busch- und Waldgebiete.
Auf dem Weg dorthin werden die Straßen schlechter und die Polizeikontrollen häufiger. Dazu kommen dreiste, selbst ernannte Polizisten in Zivil, welche hin und wieder Straßensperren errichten und versuchen eine Straßenbenutzungsgebühr abzuziehen. Beim ersten Mal halte ich an und komme nur schwer und mit viel Überzeugungsarbeit wieder hinaus. Beim zweiten Mal fahre ich vorsichtig um die Holzstämme und Flatterbänder herum. Bei den folgenden Sperren ist der Spaß vorbei. Der Gashahn wird aufgerissen, die Lichthupe und die akkustische Version selbiger läuft in Endlosschleife und mit afrikanischem Optimismus und unangepasster Geschwindigkeit geht es ab durch die Mitte.
In der Dämmerung ziehe ich mich mit der XT in die Berge zurück, genieße den Sonnenuntergang. Bei alpinem Panorama und sternenklarem Himmel wird bei entsprechenden Temperaturen ein prasselndes Feuer entzündet. Um nichts in der Welt wollte ich diesen Schlafplatz gegen eine der putzmittelgeschwängerten, marmorverkleideten, vollklimatisierten Hotelzellen tauschen. Als ich am nächsten Morgen aufbreche, um mich durch die Bergstrassen treiben zu lassen, fällt mir der platte Hinterreifen auf. Da die Reifenheber in Lome ausgemustert worden und Wasser zur Lochsuche auch knapp ist, fahre ich die Werkstatt der Ranch an. Dort wird mir nach Einladung zum zünftigen Mittagessen mit den Mechanikern tatkräftig zur Hand gegangen.
Am Abend lerne ich die Familie meines Gastgebers, Isiyaku kennen. Seine bezaubernde Frau Adama, seine beiden Töchter Zeinab und Mansura und seinen Ältesten Jubril. Die Gastfreundschaft Adamas steht der ihres Mannes in nichts nach und mit bei den Kindern habe ich spätestens mit dem Vorschlag eine Runde Fußball zu spielen einen Stein im Brett. Zur Feier des Tages wird die Grillsaison im neuen Jahr mit Forellen und Bananen ausgerufen. Köstlich.
Am nächsten Tag geht für mich eine asphaltierte, kurvige und blitzsaubere Straße durch die Täler der Obudu Mountains Richtung Calaba. Ich habe viel Zeit über die gewonnenen Freunde auf der Cattle Ranch nach zu denken. Einen besonderen Eindruck hat Isiyakus selbstlose Gastfreundschaft hinterlassen. Zuletzt hat er es sich nicht nehmen lassen, mir noch Wasser, Reiseproviant und natürlich die besten Wünsche mit auf den Weg zu geben.
Auf Höhe Ikoms geht es wieder auf die von LKW zerstörte Hauptstraße. Mehr Loch als Asphalt ist höchste Aufmerksamkeit erforderlich um sich nicht die Felgen an den spitzen Asphaltkanten zu zerstören. 80 Kilometer vor meinem ursprünglichen Tagesziel, Calabar, lässt die Aufmerksamkeit dann nach und ich fahre in einen nahegelegenen Bambuswald um mein Zelt aufzuschlagen. Zeitig breche ich am nächsten Morgen auf, um das Konsulat Kameruns in Calabar zu suchen. Jüngst in ein anderes Stadtviertel umgezogen gestaltet sich die Suche nach selbigem etwas schwieriger als gedacht. Endlich angekommen werde ich zunächst mit der Ausrede vertröstet, der zuständige Konsul sei nicht im Haus. Ich warte.
Plötzlich heißt es, die Visaausgabe sei nur bis 11 Uhr morgens möglich. Ich warte. Die Hartnäckigkeit zahlt sich wie immer aus und die Vorzimmerdame des Konsuls nimmt sich meiner an. Es wird nun behauptet, die Einreise nach Kamerun sei momentan nur mit dem Flugzeug möglich. Ich warte. Schließlich bekomme ich ein Formular vorgelegt, mit welchem ich mein Visum beantragen kann. Die Dame fordert umgerechnet 100 Euro für das Visum. Nach kurzer Nachfrage bei der Security, bekomme ich die Bestätigung: Es handelt sich hier um die Offizielle Visa-Gebühr. Also muss der Geldbeutel bluten.
Da die Lust heute noch Richtung Grenze zu fahren gering ist, lerne ich am nächsten Früchte- und Gemüsestand die junge Verkäuferin kennen, die mir spontan ihre Wohnung anbietet. Die Wohnung entpuppt sich als WG aus Studentinnen und Studenten, Arbeitern und Arbeitslosen, jung und alt. Ich werde bekocht, habe ein Dach über dem Kopf und als Dank für die Unterkunft lerne ich mit den Kindern Englisch und Mathe.
Beim versuchten Aufbruch am nächsten Tag muss ich mal wieder feststellen, dass mein Reifen relativ luftleer ist. Die Reperatur zieht sich bis Mittag und so verbringe ich eine weitere Nacht in Calabar. Kein Problem bei der netten Athmosphäre. Früh wird dann am nächsten Morgen gestartet. Es geht die bekannte Schlaglochpiste bis nach Ikom hoch, um von dort aus an die letzten 60 Kilometer bis zur Kamerunischen Grenze auf bestem Asphalt zurückzulegen.
Es gibt die Möglichkeit mit dem Boot und ein paar Bestechungsgeldern für die richtigen Polizisten über den Grenzfluss im Süden Kameruns einzureisen. Da Korruption von mir allerdings nicht unterstützt wird, starte ich die Informationssammlung zu alternativen Grenzuebergängen dort, wo ich die besten Freunde habe… auf der Cattle Ranch.
Eine Nacht im Busch in der Nähe der Grenze und am nächsten Morgen treffe ich gegen Mittag auf der Ranch ein. Gerd ist eine halbe Stunde früher als ich eingetroffen. Da ich von den Straßenrestaurants und den Polizeicheckpoints schon erfahren habe, dass der "Wikinger" in die selbe Richtung unterwegs ist, habe ich mit einem Treffen auf der Ranch gerechnet. Natürlich beschließen wir den Weg über die Grenze gemeinsam zu meistern. Über die vielen Bekannten hier finden wir auch schnell eine MÖglichkeit durch die Berge nach Kamerun zu gelangen.
Der Grenzuebergang soll irgendwo vor dem kleinen Städtchen Akwaya liegen. Laut Karte entspricht die Qualität der Straße einem besseren Wanderweg und es gilt außerdem einige Flüsse zu durchqueren. 200 Kilometer üble Piste liegen vor uns. Stärken können wir uns noch bei einer Grillparty, die Isiyaku spontan ausruft, als ich ihn in der Werkstatt der Ranch begrüße.
Bis tief in die Nacht sitzen wir noch am Feuer und unterhalten uns wie alte Bekannte. Jetzt heißt es leider wirklich Abschied nehmen. Die Frage wann ich wieder komme kann ich wie ueblich nur mit einem traurigen Lächeln abtun. Die Straße ruft und die Maschine giert nach neuen Herusforderungen. So geht es von nun an wieder durch den Dreck. Die kommende Etappe wird wohl die bisher schwierigste." +++