Rassismus und Extremismus im Alltag
Aufklärende Podiumsdiskussion "Afd & Pegida - Fischer vom rechten Ufer"

10.02.2015 / BAD HERSFELD -
Das Interesse war groß. „Hier im Saal sind sicher mehr als 300 Besucher“, mutmaßt Torsten Warnecke, der als Landtagsabgeordneter der hessischen SPD am Montag an der Podiumsdiskussion zum Thema „AfD & Pegida – Fischer vom rechten Ufer“ in der Stadthalle teilnahm, die vom Ausländerbeirat Bad Hersfeld in Zusammenarbeit mit dem DGB Bad Hersfeld-Rotenburg und dem Runden Tisch für Demokratie, gegen Rechtsextremismus in Hersfeld-Rotenburg veranstaltet wurde. Sahin Cenik als Vorsitzender des Ausländerbeirates sprach in seinem Grußwort über den Rassismus, der ihm und vielen weiteren Migranten im Alltag begegnet. Er berichtet von Hassbriefen, die den Ausländerbeirat immer wieder erreichen und der Polizei übergeben werden. Auch bei der gestrigen Veranstaltung zeigte die Polizei Präsenz. Auslöser für die Planung der Veranstaltung war nach Angaben von Moderator Timo Schadt, dass die AfD auch hier in der Region stark auftritt und mit Alexander Sauer ein Mitglied der AfD bei der Landratswahl im Landkreis Hersfeld-Rotenburg kandidiert. Vor allem soll über die Verflechtung der AfD mit der Pegida-Bewegung informiert werden.
Den zahlreichen vorangegangenen Anfragen, warum kein Vertreter der AfD eingeladen wurde, entgegnete Schadt: „Es gibt keinen Dialogbedarf. Außerdem hat der Veranstalter das Recht auszuwählen, wer etwas dazu sagen soll“.
Das war zunächst der Rechtsextremismus-Experte Volkmar Wölk aus Dresden, der in einem Einführungsvortrag seine praktischen Erfahrungen und Recherchen zu Alternative für Deutschland (AfD) und Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) aus erster Hand präsentierte. „Was ist eine Alternative?“ Parteien überlegen bei der Namensgebung, was sich besonders gut verkauft. Wir wollen grundsätzlich anders sein. Mit welchen Inhalten? Wie anders? Mit der Aussage „für Deutschland“ signalisiert die AfD, dass andere Parteien keine Politik für Deutschland machen, macht Wölk deutlich. Die Partei, die auch zwei Jahre nach der Gründung noch kein Parteiprogramm hat, steht als neue alleinige Alternative in einer langen Reihe rechts von der Union. „Die AfD ist eine Partei der Rechten mit bestimmten extrem rechten Tendenzen im Hinblick auf ihre Inhalte und ihr Personal“, ist seine Aussage.
Die sächsische Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Linke) arbeitet schwerpunktmäßig am Thema, sitzt beispielsweise im NSU-Untersuchungsausschuss und hat sich mit rechtsextremen Tendenzen in der AfD auseinander gesetzt. Ob sie sich nur noch mit Polizeischutz nach Dresden traut, hält sie für eine blöde Frage. „Ich bin privilegiert, weiß, gesund, meine Überzeugung sieht man mir nicht an und ich verbreite keine Glaubensbekenntnisse“. Die Expertin beteuert: „Pegida ist keine einfache Protestbewegung von Wutbürgern“. Die Diskussion entbrennt über der Frage, ob Pegida ein ost- oder gesamtdeutsches Phänomen ist, wer sich hinter den Pegida-Anhängern verbirgt und welche Schuld die Politik und die „Lügenpresse“ an dieser Entwicklung haben. Dazu Torsten Warnecke ironisch: „Die SPD ist an allem Schuld“. Er betont, dass seine Partei Bürger aller gesellschaftlichen Schichten vertritt.
Thematisiert wird auch die Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen, wobei die Dezentralisierung keine Zustimmung findet. Dr. Michael Koch bekräftigt, dass Zuzug notwendig ist. „Ohne Migranten würde das Klinikum Bad Hersfeld nicht funktionieren“. Henfling kämpft gegen massive Vorurteile der Thüringer gegenüber Migranten und stellt wenig Bereitschaft fest, Asylsuchende und Flüchtlinge aufzunehmen. Menschen aus Eritrea und Somalia verlassen Thüringen so schnell wie möglich, weil sie die Anfeindungen nicht ertragen. Köditz sieht dagegen, dass sich eine Willkommenskultur entwickelt.
Meinungen und Erfahrungen zum "Feindbild Islam" und ansatzweise Lösungsvorschläge wurden ausgetauscht. Vor allem eines ist klar: Es gibt noch viel zu klären, es muss viel miteinander geredet werden. Aber nicht mit Verachtung im Herzen und Wut im Bauch, sondern mit Verständnis und Respekt, gleichzeitig aber offen und mutig. Volker Wölk, „als Miesmacher verpönt“, empfand die Diskussion als zu versöhnlich und zu optimistisch. Er mahnt, dass Rassismus bereits zur Normalität geworden sei. Eine anschließende öffentliche Diskussion kam nicht in Gang. Nach gerade mal drei Wortmeldungen wurde die Veranstaltung durch Timo Schadt beendet. Im Foyer präsentierte sich die Fuldaer Flüchtlingsinitiative „Welcome In“. (Gudrun Schmidl) +++