NACHGEDACHT (109)
Die Toten bleiben gut - Gedanken von Christina LEINWEBER
08.02.2015 / REGION -
Wie sprechen wir lebenden Menschen über die Toten? Ist Pietät nicht das Stichwort, das die Maxime des Sprechens bestimmt? Respektvoll und ehrfürchtig sollten wir sprechen. Über die Toten. Am Freitagabend summte mein Handy einen anderen Ton. Ein renommiertes Nachrichtenmagazin schickte eine App-Mitteilung: "Tugce soll ihren Mörder auch beschimpft haben." Ich weiß nicht warum, aber das hat sich für mich nicht gut angehört. Warum jetzt so etwas? Ich will das nicht wissen. Dieses Mädchen ist gestorben, weil einer viel zu gewalttätig war.
Ich habe mich richtig geärgert. Aber dann - nach ein paar Minuten - habe ich versucht, aus meinem Schwarz-Weiß denken hinauszukommen. Und da eröffneten sich Graustufen: Das Nachrichtenportal hat Informationspflicht. Es sollte womöglich solche Einzelheiten berichten. Nur was will diese Nachricht zwischen den Zeilen sagen? Dass das Mädchen selbst schuld ist? Genau deswegen habe ich mich so geärgert. Die Nachricht hat genau das zwischen den Zeilen vermittelt.
Und selbst wenn: Was würde das jetzt ändern? Die junge Frau bleibt tot. Das einzige, was wir aus solch einer Nachricht ziehen können, ist, dass auch Worte scharfe Waffen darstellen. Worte sind weise zu wählen. Sie können Unsägliches anrichten. Und auch das Sprechen über Tote sollte gewählt sein. Der Titel des heutigen Nachgedachts ist eine Hommage an Anna Seghers "Die Toten bleiben jung". Es ist nur ehrenvoll, wenn die Toten mit ihren guten Eigenschaften in unseren Herzen zurückbleiben. Besonders in den Fällen, in denen das Menschenleben durch einen anderen Menschen ausgelöscht wurde. ( Christina Leinweber) +++
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