Die liebe Trägheit

Saubere Kleidung: Bündnis schmallippig, Verbraucher renitent?


Quelle: Fotolia/NilsZ

17.10.2014 / REGION - Kurzkettige Chlorparaffine, Perfluoroctansulfonat oder Trichlorethan – schon mal gehört? Nein? Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie es täglich auf der Haut tragen, sehr hoch. Es handelt sich um giftige Chemikalien, die umfangreich in der Textilindustrie eingesetzt werden, als Lösungsmittel für Farben, um wasserabweisende Eigenschaften herbeizuführen oder Weichmacher. Aber nicht nur der Bekleidete setzt seine Gesundheit aufs Spiel. Die Herstellenden in Indien, Bangladesch oder China werden gezwungen, unter menschenunwürdigen Bedingungen ihre Arbeit in direktem Kontakt mit den Giften zu verrichten, die dann auch noch schändlich gering entlohnt wird.



Gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft, der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft hat Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller am Donnerstag in Berlin das Textilbündnis auf den Weg gebracht - von dem sich Greenpaece und einige Große der Textilbranche (plötzlich?) zurückgezogen haben. Müllers Ziel sei es, eineinhalb Jahre nach Rana Plaza konkrete Verbesserungen der sozialen und ökologischen Standards in der Textil- und Bekleidungsindustrie zu erreichen. Minister Müller: "Mit unserem Bündnis der Fairness wird Entwicklungspolitik ganz konkret. Dabei respektiere ich die Haltung verschiedener Verbände und Unternehmen, die sich mehr Zeit für die Entscheidung lassen wollen, ob Sie dem Textilbündnis beitreten wollen. Unsere Türen stehen offen, sich jederzeit an dem Prozess zu beteiligen und dem Bündnis beizutreten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir schnell zahlreiche weitere Teilnehmer gewinnen werden. Denn kein verantwortlich handelndes Unternehmen wird sich dem Anspruch auf Dauer versagen können, für seine Lieferketten Öko- und Sozialdumping und Kinderarbeit auszuschließen. Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht darauf, dass wir hier gemeinsam Verbesserungen erreichen und mehr Transparenz für die Kaufentscheidung geschaffen wird."


Auf Seiten der Produktion gibt es also weiterhin Nachholbedarf. Wenn nun aber der Verbraucher die Industrie zur Umkehr zwingen würde?

Das Tal der Ahnungslosen auf Seiten der Verbraucher ist größer als gedacht. Ökomode, was ist das? Das Thema ist bundesweit in aller Munde, doch ein großflächiges Umdenken steht noch aus. Saubere Bekleidung, deren Rohstoffe nicht nur aus kontrolliertem Anbau stammt, sondern deren Herstellung auch unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen zu existenzsichernden Löhnen geschieht – das hört sich gut an.

Konsumenten, die sich und ihr Kaufverhalten gerne überdenken würden, stehen allerdings vor keiner leichten Aufgabe. Der Informationsflut im Internet folgt eine Fülle von Siegeln, Empfehlungen und Online-Shops. Sich da einen schnellen Überblick zu verschaffen, fällt schwer. Eines fällt auf: Ausgewiesene Fachgeschäfte für Öko-Mode scheint es in Fulda und Umgebung nicht zu geben. Online-Shops gibt es zwar wie Sand am Meer, eine Überprüfung ist allerdings für den „Einsteiger“ kaum ohne Orientierungshilfe möglich. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) bietet einen hilfreichen interaktiven Einkaufsführer an.


Für Greenpeace kein neues Thema

Greenpeace setzt sich seit Jahren mit der Kampagne „Detox“ für den freiwilligen Ersatz der giftigen Chemikalien durch die produzierenden Modelabels ein. „Das Vorhaben sollte giftfreie Kleidung garantieren – nun beugt sich Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) dem Druck der Textilindustrie. Im April rief er die Idee eines Textilbündnisses ins Leben: Händler, Hersteller und Entwicklungsorganisationen sollen gemeinsam über neue Standards für die Textilproduktion verhandeln.

Genaue Inhalte stellt Müller am Donnerstag anlässlich der Gründung des Bündnisses in Berlin vor. Das große Defizit seines Aktionsplans nach Ansicht der Organisation: Er sieht zwar die Zahlung fairer Löhne vor, verbietet aber nicht den Einsatz umwelt- und gesundheitsgefährdender Chemikalien in der Textilproduktion. Der Aktionsplan bezweifelt sogar, dass der Verzicht auf jegliche gesundheitsschädliche Chemie möglich ist.

Greenpeace wird dem Textilbündnis deshalb nicht beitreten. „Giftfreie Produktion in Frage zu stellen, ist ein wohlfeiles Zugeständnis an die Industrie“, sagt Kirsten Brodde, Textilexpertin bei Greenpeace. “Etliche Modelabels haben sich bereits mit Greenpeace auf saubere Textilherstellung verpflichtet und zeigen jeden Tag, dass dies möglich ist“, heißt es in der Presseerklärung von Greenpeace. (am)


Ein paar Tipps zur Orientierung:

Die Sendung „hart aber fair“ (ARD) hat am 15.September das Thema aufgegriffen und im Internet viele Informationen zusammengestellt:
wwww.wdr.de


„Revolution im Kleiderschrank“ – Nützliche Tipps von Greenpeace:
www.greenpeace.de


Die Kampagne sür saubere Kleidung ist ein Netzwerk von 20 trägerorganisationen:
http://www.saubere-kleidung.de/


„Shoppen mit gutem Gewissen“: die Zeitschrift Ökotest mit praktikablen Lösungsansätzen:
www.oekotest.de

Greenpeace setzt bei der Kampagne Detox auf Provokation
Quelle: Greenpeace

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