Konsum bedenken und Pachtpreis senken
Evangelische Dekanatssynode zeigt Solidarität mit Landwirten
11.10.2014 / NIEDER-MOOS -
„Auch Synoden können irren.“ – geflügelte Worte, die sich am vergangenen Freitag anlässlich der Synode des Dekanats Vogelsberg auf einen Beschluss der EKHN-Kirchensynode im November 2013 bezogen, und zwar auf die Verabschiedung des Gesetzes zur Neuordnung der Dekanat, in dem auch die Vereinigung der Dekanate Vogelsberg und Alsfeld vorgesehen ist. Erneut wurde nun in Nieder-Moos die Ablehnung einer solchen Fusion in einem Antrag formuliert. Lange Fahrtstrecken, schwache Identifikation, nicht erstrebenswerte Angleichung an Landkreisstrukturen, bürokratische Gleichmacherei eines disparaten Sozialraums – „Unsere Argumente gegen den Zusammenschluss haben sich nicht verändert“, so der stellvertretende Dekan Martin Bandel aus Herbstein.
Faktisch käme es im Fusionsfall zu einer Schwächung der Kirche in der Region, da die Unterstützungsstrukturen des Dekanats weiter wegrückten von den Kirchengemeinden und somit passgenaue kreative Lösungen vor Ort geradezu verhindert würden ganz zu schweigen von den Belastungen, die auf Ehrenamtliche, Jugendliche, Mitarbeitende zukämen. Auch die Jugenddelegierte Sophie Schramm aus Heblos ist überzeugt: „Jeder einzelne Jugendliche nimmt Schaden, weil die Beteiligungsmöglichkeiten noch weiter schwinden!“ Man müsse immer wieder klar benennen, dass hier von der Kirchensynode eine Fehlentscheidung getroffen wurde, so das einhellige Votum des Dekanatssynodalvorstands. Ohne Gegenstimme beantragte die Dekanatssynode die Aussetzung des Kirchengesetzes zur Neuordnung der Dekanatsgebiete § 9 „Vereinigung der Dekanate Alsfeld und Vogelsberg“ auf unbestimmte Zeit.
Freude am Singen finanzieren
Mehr Geld für Kirchengemeinden
Auch Nicht-Theologen in der Notfallseelsorge
Seit 12 Jahren gibt es die Notfallseelsorge im Vogelsbergkreis mit derzeit 12 Mitarbeitenden und über 40 Einsätzen jährlich mit steigender Tendenz. „Wir sind rund um die Uhr erreichbar, arbeiten schnell, unbürokratisch und überkonfessionell. Wir lassen uns stören, in dem, was wir gerade tun und fahren innerhalb kürzester Zeit zum Einsatz“ beschrieb Pfarrer Harald Wysk, der Leiter der Notfallseelsorge im Vogelsbergkreis seinen Arbeitsbereich. „Das enge kirchliche Netz ist bisher unschlagbar. Eine Abdeckung, wie es die Kirchengemeinden mit ihren Pfarrerinnen und Pfarrern schaffen, kann keine außerkirchliche Organisation erreichen.“
Als Gründe für Einsätze nannte Wysk Suizid und plötzlichen Tod etwa durch Schlaganfall oder Herzinfarkt sowie tödliche Verkehrsunfälle. Auch bei häuslicher Gewalt und bei der Suche nach Vermissten werde die Seelsorge verstärkt hinzugezogen. Neben dem Blick auf die statistischen Fakten gab der Seelsorger auch zu bedenken: „Wenn der Satz fällt: ,Da kann man nichts mehr machen.‘, dann ist das ein ganz und gar gottloses Wort, die uns Christen zum Gegenbeweis antreten lässt. Unser Trost ist oft nur eine ganz kleine Saat, ein Schritt auf dem Weg zur Besserung, auf die wir hoffen.“ Mit Sorge blickte Wysk auf die schwindende Bereitschaft zur ehrenamtlichen Mitarbeit bei gleichzeitig steigender Zahl der Einsätze. 2015 kommen erstmals Nicht-Theologen nach absolvierter Ausbildung zum Einsatz. „Nur im Team ist es möglich. Helfen Sie uns!“, warb Wysk.
Pachtverträge mit Milchviehbauern
Heinz-Dieter Horn aus Schlitz erläuterte das Anliegen der Kirchengemeinde Schlitz, sich den Bauern gegenüber solidarisch zu zeigen und die Pacht jährlich in Abhängigkeit vom Milchpreis festzusetzen, um die Belastung für die Bauern so gering wie möglich zu halten. In der anschließenden Diskussion wurde vor allem der durch die jährliche Vertragsanpassung entstehende Verwaltungsaufwand kritisiert, der in keinem Verhältnis zu den sehr geringen Beträgen stehe, um die es ginge. Ferner wurde die Ungleichbehandlung der landwirtschaftlichen Betriebe durch die Fokussierung auf Milchbetriebe als problematisch angesehen. Hinzu komme, dass zum einen die Kirchenverwaltung die Anwendung des Musterpachtvertrags vorschreibe, zum anderen auch die Bauern an langfristigen Verträgen interessiert seien.
Der Antrag der Kirchengemeinde Schlitz wurde bei acht Ja-Stimmen mit großer Mehrheit abgelehnt. Zugleich erging der Appell an die Kirchengemeinden, sich auf andere Weise zu solidarisieren. Man könne die langfristigen Verträge einfach sehr niedrig ansetzen, anstatt auf Konfrontation mit der Kirchenverwaltung zu gehen, empfahl Pfarrerin Karin Klaffehn aus Heblos. Die EKHN strebe durchweg Pachtpreise von 10-20 % unter dem ortsüblichen Niveau an. Pfarrer Steffen Poos aus Nieder-Moos erntete spontan Tischapplaus, als er die Solidarität per Einkaufskorb ins Spiel brachte: „Wir müssen als Kirchengemeinden unseren Konsum bedenken und überlegen, was und wo wir einkaufen.“
Wie passend, dass im Anschluss an die Debatte die Vertreterin der Evangelischen Jugend im Dekanat, Sophie Schramm, die Gründung eines Nachhaltigkeitsrats bekannt gab und zur Beteiligung einlud. „Wir wollen in diesem Gremium Aktionen planen und Konzepte zum Thema erarbeiten.“ Aktionen wie „Marmelade für alle“, „FairMischBar“ und „Kochen für den kleinen Geldbeutel“ seien bereits in der Vergangenheit auf großes Interesse gestoßen und auch die EcoCity, eine interaktive Ausstellung zur Nachhaltigkeit, die kürzlich in Lauterbach Station machte, habe dem Thema erneut Aufmerksamkeit beschert.
Abschließend dankte Präses Christa Wachter den Synodalen für ihr Engagement sowie der gastgebenden Kirchengemeinde Nieder-Moos und deren Pfarrer Steffen Poos für den Gottesdienst, mit dem die Tagung eröffnet und der von Dr. Diana Rieger sowie den Vulkansingers unter Leitung von Raimund Murch mitgestaltet worden war. Die nächste Tagung der Dekanatssynode findet bereits in wenigen Wochen am 27. November in Lauterbach statt und hat die Wiederwahl des Dekans Stefan Klaffehn auf der Tagesordnung.+++