NACHGEDACHT (88)
Was wir alles können…sollten - von Christina LEINWEBER
14.09.2014 / REGION -
Superkoch sein, auch im Alltag, jeden Tag – den Garten perfekt in Szene gesetzt – eigene Bilder malen, eigenes Brot backen, am besten auch selbst die Wurst herstellen - die Wohnung immer aufgeräumt, die Wäsche gewaschen - der Job läuft, aufwärts auf der Karriereleiter - Inneneinrichtung perfekt, Kleidung passt wie angegossen, Diät läuft, abends Joggen und morgens Frühgymnastik. Merken Sie, was ich Ihnen sagen will? Das gehört alles zu einem Leben. In diesem einen Leben werden mehrere Aufgaben glanzvoll erfüllt: Koch, Gärtner, Künstler, Bäcker, Metzger, Inneneinrichter, Geschäftsmann/-frau, Model, Diät- und Abnehmcouch in einem. Die Person kennt sich echt überall aus, Wahnsinn!
Denken Sie, dass diese Person glücklich ist? Weil die Person so viel kann, so viel macht, so viel tut? Ich kann es Ihnen nicht sagen, aber es hört sich viel an, was sie kann. Ist es zu viel? Wissen Sie, wie ich auf diesen Gedanke komme, eine Idee von solch einer perfekten Person zu beschreiben? Weil ich Fern gesehen habe. Hört sich komisch an, aber: Im Fernsehen wird neuerdings oder auch schon viel länger suggeriert, dass wir das alles können müssen. Es gab noch nie so viele Sendungen, die uns das alles zeigen: Wohnung, Haushalt, Essen, Styling, Job. Es gibt für jeden Bereich gleich mehrere Sendungen, die auch Wettbewerbscharakter haben, denn überall gibt’s was für den Besten zu gewonnen.
Das überträgt sich ins Private. Und daraus kann eine Überforderung werden. Denn sollten wir alles machen, nur weil wir es machen könnten? Alles machen und können ist ein Zustand der Seltenheit. Wir Menschen brechen auch einmal unter der ganzen Last zusammen, werden traurig oder krank. Und erst dann zeigt sich das, was wir wirklich im Leben können sollten: Hilfe annehmen, Ruhe gönnen, eine Auszeit nehmen und auch beten, dass alles wieder besser wird. Denn wenn nichts mehr geht, dann müssen wir nur eins können: Vertrauen haben, in das Leben. Ich wünsche allen Lesern, die im Moment krank oder traurig sind, dass Sie die Kraft für dieses Vertrauen aufbauen können und sich bald wieder besser fühlen. (Christina Leinweber) +++
ZUR PERSON: Christina Leinweber, 1988 geboren in der osthessischen Bischofsstadt Fulda, neun Jahre katholisch-private Schulausbildung – so war der Weg zum Theologiestudium für sie vorbestimmt und beschlossen. Es ging dann für vier Jahre Studium in die nächste Bischofsstadt Paderborn - hat inzwischen ihr 1. Staatsexamen in der Tasche und ist seit Anfang November 2013 im Schuldienst des Landes Hessen. Ihre Tätigkeit als Kolumnistin bei osthessen-news.de möchte sie auch in Zukunft fortsetzen. Sie selbst bezeichnet sich als liberal-theologisch und kommentiert (seit 88 Wochen) in der Serie "NACHGEDACHT" Dinge des Alltags aus ihrer persönlichen Sicht. +++