„Geschichte aus Stein – 550 Jahre Vorwerk Ulrichstein“

Ausstellung von Heike Erbes im „Museum im Vorwerk“



25.08.2014 / ULRICHSTEIN - „Wenn diese uns umgebenden Bruchsteinmauern unseres Museums reden könnten, sie würden uns auf eine über 550 Jahre währende Reise mitnehmen“, meinte Bürgermeister Edwin Schneider am Samstagnachmittag bei der Eröffnung der Ausstellung „Geschichte aus Stein – 550 Jahre Vorwerk Ulrichstein“ von Heike Erbes. Mit dieser Ausstellung habe sich Frau Erbes mit einem ganz besonderen Thema – der 550 Jahre alten Geschichte des jetzigen „Museum im Vorwerk“ befasst. Die Recherchen hierzu seien nicht ganz einfach gewesen, zumal auch im Stadtarchiv nicht gerade umfangreiche Unterlagen zu dem Gebäude vorhanden seien.

Ein Großteil der sehr wechselhaften Geschichte des Vorwerk konnte aber der Chronik des ehemaligen Bürgermeisters der Stadt Ulrichstein, Reinhard Thomas, entnommen werden, der sicherlich zu damaliger Zeit ebenfalls bereits einige Anstrengungen unternommen hatte, um das Geschehen in und um das Gebäude in Erfahrung zu bringen. Schneider ging dann in seinen Ausführungen auf die damalige Zeit ein: „Wir schreiben das Jahr 1464, ein Jahr im Zeitalter der Renaissance. Während im italienischen Florenz überragende Kunstwerke entstehen und wenige Jahre bevor der Reformator Martin Luther die Weltbühne betritt, entsteht in der tiefsten deutschen Provinz hier im unwirtlichen Vogelsberg, immerhin im Stil der Frührenaissance, zu Zeiten des Landgrafen Heinrichs III. ein Zehnthaus“.

Er beschrieb die damalige Nutzung des Gebäudes mit der Aufnahme der naturalen Steuern der Landbevölkerung für die Herren der Burg Ulrichstein. In den Folgejahren wurde das Gebäude durch einen Querbau vergrößert und mit einer zwei Meter hohen Bruchsteinmauer umgeben, die auch heute noch zum Teil erhalten ist. Überlieferungen zur Folge soll vom Nordwestturm der Burg ein unterirdischer Gang zum Vorwerk geführt haben, der so groß war das man ihn aufgesessen zu Pferd hinab reiten konnte. Er wurde allerdings bis heute nicht gefunden, bedauerte der Bürgermeister.

Vom Jahre 1700 bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts diente das Gebäude der Pferdezucht. Es wurde zur Ulrichsteiner Stutterey und das Ulrichsteiner Pferd wurde hier gezüchtet. Zur Stutterey verwies er auf eine Internetrecherche bei der diese von Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künste aus dem 18. Jahrhundert, als ein Ort beschrieben wird, „wo viele Pferde zur Zucht gehalten werden, und auch die Pferde selbsten insgesamt, so an einem solchen Orte, unter Direction des Stuttenmeisters und anderer Stallbedienten stehen, und daselbst ihre benötigte Wart und Verpflegung genießen“.

Und weiter: „Wer eine Stutterey anlegen will, muss vor allen Dingen überlegen, ob er auch Gelegenheit dazu habe, ob reine und gesunde Luft gut Wasser, tüchtige und genugsame Wide, sowohl zu nassen als dürren Zeiten, daherum anzutreffen, ingleichen, ob er so viel Heu aufbringen könne, dass das Jahr damit aus zukommen, und er nicht alles ums bare Geld kaufen müsse; ob das glatte Futter in der Nähe gebaut werden könne, oder von weiten Orten mit großen Unkosten zu zuführen sei“.

Offenbar habe das Vorwerk und Ulrichstein alle diese Voraussetzungen für eine Stutterey erfüllt, denn ansonsten wäre hier nicht über 150 Jahre die Züchtung von Pferden erfolgt, deren Anfänge sich bis zum Landgrafen Ernst Ludwig zurückverfolgen lassen. Im Laufe der Jahre habe sich daraus das Landesgestüt des Großherzoglichen Hauses entwickelt, das bis 1849 be-stand.


Die Zehntscheune, die 1870 an die Familie Pfannstiel aus Ulrichstein verkauft wurde, diente dann 150 Jahre als Lagerraum für landwirtschaftliche Geräte und als Ersatzkirche während des Ulrichsteiner Kirchenneubaues. Nach Erwerb durch die Stadt Ulrichstein im Jahre 1933 fand das historische Gebäude in den Nachkriegsjahren Verwendung als Wohngebäude für Evakuierte und Heimatvertriebene. 1991 wurde dann durch die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Ulrichstein der Umbau zum Museum im Vorwerk beschlossen, der im Jahr 1993 begann und 1996 fertig gestellt werden konnte.

„Das „Museum im Vorwerk“ biete heute neben den sehr interessanten Dauerausstellungen und den vier etablierten Veranstaltungen wie dem Ostereiermarkt, dem Herbstmarkt, dem Tag der Jagd und der Adventsausstellung eben auch immer wieder Wechselausstellungen wie auch die heutige „Geschichte aus Stein – 550 Jahre Vorwerk Ulrichstein“, so das Stadtoberhaupt abschließend.

Heike Erbes versetzte die, leider nur wenigen Besucher, dann bei der Schilderung eines Tagesablaufes in die Zeit des Entstehens des Vorwerkes, in eine recht harte Zeit für die einfache Landbevölkerung. Sie ging auch auf die recht schwierige Beschaffung der Exponate für die Ausstellung ein. Derzeit sei sie wieder an einer Quelle, aus der vielleicht hervorgehe, dass das Vorwerk sogar noch früher erbaut worden sei.

Sie verwies abschließend auf einen Aktionstag, am Sonntag, den 21. September, bei dem Kinder Basteln, Malen und Geschichten aus dem Mittelalter hören könnten. Die Ausstellung war vom Vorsitzenden des Förderverein „Museum im Vorwerk“ Andreas Rüb eröffnet worden. Er zeigte sich erfreut, dass Heike Erbes, die seit 2010 Mitglied im Vorstand des Fördervereins und seit letztem Monat sogar zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden sei, sich mit der Geschichte des Vorwerks befasst habe. Die Ausstellung ist noch bis zum 5. Oktober während der Öffnungszeiten des Museums zu sehen. (gr) +++





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