Eine Reise unter der Erde

Erfahrungsbericht: Spektakuärer Ausflug ins Erlebnisbergwerk Merkers



15.08.2014 / MERKERS - Die Fahrt im Riesen-Cabriolet geht teilweise mit 60 Sachen über die Pisten, bergauf und bergab. Scharfe Kurven und tiefhängende Decken bremsen die Geschwindigkeit manchmal bis auf 20 km/h herab. Kristallin glitzern die weißgeäderten roten Seitenwände im Scheinwerferlicht in einer Tiefe von 500 - 800 Metern unter der Erdoberfläche – ein echtes Erlebnis.



Doch zuvor muss man sich einkleiden in der Umkleide des Besucherzentrums im Bergwerk Merkers, der sogenannten „Kaue“. Ein blauer oder weißer Kittel gehört dazu und ein weißer Schutzhelm, dann lädt Besucherführer Gunder Krieg ein zu einer 20 km langen Reise unter der Erde, „live, ehrlich und ungeschminkt“.

Das Abenteuer beginnt mit dem „Einfahren“ mittels eines zweigeschossigen Aufzuges in das Bergwerk bis zu einer Teufe von 500 Metern, denn „Teufe“ bedeutet die Tiefe gemessen ab der Erdoberfläche und nicht von der absoluten Meereshöhe aus. Dort geht es über eine Schleuse in das Stollensystem des Bergwerkes und auf die Ladefläche eines großen dachlosen LKW´s, weswegen Gunder Krieg die Fahrt als Cabrio-Ausflug tituliert. Allerlei Späße machen er und sein Kollege Norbert Andres, der den zweiten LKW lenkt, mit den Besuchern.

Die Fahrzeuge fahren durch breite, aber nicht sehr hohe Schächte, alles Raum, der beim Abbau des Salzes gewonnen wurde und das schon seit 1901. Am Anfang stand reine Handarbeit an, sukzessive machte die Entwicklung von maschinellen Hilfsmitteln die Arbeit der Steiger etwas leichter. So baute man zu Beginn nur Schächte mit einer Höhe von 1,10 m, mittlerweile werden durch gezielte Sprengungen mehrere Meter hohe Gänge geschaffen, die es eben erlauben, auch Besucher auf bequeme Art und Weise durchs Bergwerk zu geleiten.


Museum in 500 Metern "Teufe"

Beim ersten Halt unter Tage wird das Museum besichtigt, neben Pickeln, Schaufeln und anderen Gerätschaften, die nicht als Werkzeug sondern als „Gezähe“ bezeichnet werden, sind hier auch die persönliche Ausrüstung des Steigers und Lampen, Geleucht genannt, ausgestellt. Eine Reihe ausrangierter Fahrzeuge sind aufgereiht und verdeutlichen die Entwicklung im Bergbau. Sogar Fahrräder und alte Mopeds stehen hier, damit fuhren die Bergwerksarbeiter zu ihren Arbeitsstellen, die ja immer weiter vom Fahrschacht entfernt lagen.

Ganz hinten am Ende des Stollens ist ein Arbeitsplatz aus der Anfangszeit des Salzabbaus in Merkers aufgebaut, hölzerne Schubkarren, Pickel und Schaufel beherrschen das Szenario und geben einen Einblick in die harte körperliche Arbeit unter Tage. Ein paar Meter weiter ist eine jüngere Abbaumethode mit motorgetriebenen Bohrern dargestellt, aus den Bohrlöchern schauen die Zündschnüre der Sprengladungen heraus. Gunder Krieg erklärt anhand der Schautafeln und Ausstellungskästen die heutigen Methoden und Sprengmittel.

Quasi live bei einer Sprengung dabei sein, darf der Besucher auch. Einige Kilometer weiter wird auf einer großen Videoleinwand der Film vom Ablauf einer Sprengung mit aktueller Bergwerkstechnik gezeigt und das so lebensgroß, dass sich der Besucher mittendrin wähnt, obwohl er bequem im Riesen-Cabrio sitzt.


Weite Ausläufer

Das Bergwerk Merkers erstreckt sich über einen Bereich von Bad Salzungen bis Bad Hersfeld. Wollte man alle Bereiche abfahren, müsste man eine Strecke von 4600 km zurücklegen. Derzeit arbeiten hier 4200 Beschäftigte, die 80.000 Tonnen Salz täglich abbauen. Hierzu werden täglich 40 Tonnen Sprengstoff benötigt. Natürlich braucht es hier eine geregelte Luftzufuhr, das sogenannte Wetter. 30.000 Kubikmeter Luft werden in jeder Minute im Bergwerk ausgetauscht, für den Besucher nicht bemerkbar, man fühlt sich bei 21 bis 28 Grad sehr wohl in der Tiefe der Erde. Je 100 Metern die man weiter ins Erdinnere reist, erwärmt sich die Luft um etwa drei Grad, deshalb ist es am tiefsten angefahrenen Punkt bei 800 Metern Teufe angenehm warm.


Eisgekühlte Cola gefällig?

Kurioserweise entlädt das Riesencabrio seine Fahrgäste direkt vor der Kristallbar, hier eben auf 800 m Teufe kann der Besucher seinen Durst mit eisgekühlten Getränken stillen und nebenbei noch ein paar Souvenirs erwerben. Gleich nebenan die Kristallgrotte, die dem Verkaufskiosk seinen Namen gab und erst im Jahre 1980 entdeckt wurde.  Hier gibt es wunderbare, geometrisch perfekt geformte Natriumchlorid-Kristalle mit einer Kantenlänge bis zu 1 Meter zu bewundern. Würde man diese Kristalle mahlen, hätte man einwandfreies Kochsalz zum Einsatz in der Küche. Bis zu 400 Meter dick sind die Salzgebirge unter der Erde, die aber nur zu 30 Prozent abgebaut werden, denn zwischen den einzelnen Stollen muss aus Stabilitätsgründen immer genügend Material stehen bleiben, um die Lasten der darüber liegenden Erdschichten zu tragen.

Das Bergwerk in Merkers ist ein Ort der Superlative, von 1924 – 1954 war es der weltgrößte Kaliproduzent. In seinen endlosen Abbaustollen existiert noch heute der größte untertägig eingesetzte Schaufelradbagger der Welt, der zwar heute nicht mehr genutzt wird, aber aufgrund der hohen Transportkosten und des immensen Aufwandes im Bauch der Erde verbleibt.


Goldraum und Schilderwald

Auf dem Weg zu diesem Riesenbagger gibt es noch einen Halt vor einem großen massiven Tor mit dem Schild „Goldraum“. Ein weiteres Superlativ gab es hier zu finden, denn hier lagerten bei Ende des 2. Weltkrieges die gesamten Gold- und Devisenbestände der Deutschen Reichsbank, sowie unzählige Kunstwerke von unschätzbarem Wert, die nach Kriegsende von den Siegermächten abtransportiert wurden. Großformatige Bilder und Geldsäcke lassen einen ungefähren Eindruck davon gewinnen.

In flotter Fahrt geht es weiter, denn das Bergwerk am Rande der Rhön bietet noch weitere Attraktionen. An manchen Stellen werden die Salzwände von senkrecht verlaufenden dunklen Steinadern durchzogen. Das sind die ehemaligen Schlote der vorzeitlichen Vulkane und das Ganggestein ist der für die Rhön typische Basalt. Seltsamerweise sind die Strecken mit unzähligen Verkehrsschildern gepflastert, der Schilderwald weist auf Geschwindigkeitsbeschränkungen und enge Doppelkurven hin, sogar ein Ampel passieren wir, was darauf hindeutet, dass zu manchen Zeiten – der Begriff „an manchen Tagen“ kommt einem in dieser Umgebung gar nicht so in den Sinn – viel mehr Betrieb sein muss. Ganz seltsam erscheinen die Schilder mit der Bezeichnung „Radfahrer“ und einem Richtungspfeil. Das kommt von den Radveranstaltungen, wie Gunder Krieg erklärt. Man stelle sich vor, im Bauch der Erde an einem Radrennen teilzunehmen.

Aber es kommt noch bunter, bei der Laserschau nämlich, die im großen Eventsaal gezeigt wird. Hier passen bis zu 1400 Menschen hinein, die an Konzerten oder anderen Veranstaltungen teilnehmen. Gute zwei Stunden dauert es, bis alle Leute über den Einfuhrschacht und die Stollen hierher transportiert werden. So schnell mal vor Schluss verschwinden, falls das Konzert nicht gefällt, kann man hier nicht… Und hinter der Bühne - man muss sich fast die Augen reiben - ist die Decke der riesigen Eventhöhle mit den Seilen eines unterirdischen Hochseilgartens bespannt.

Als die beiden Bergwerks-Cabrios mit den Nummern 16 und 17 wieder Richtung Wetterschleuse einbiegen, passieren sie nochmals die kleine Grotte mit der lebensgroßen Figur der Hl. Barbara, der Schutzfrau der Bergleute. Beim Einsteigen in den Aufzug bewähren sich nochmals die Schutzhelme, denn es geht hier unten wirklich oft ganz niedrig zu. Als sich die Tür des Transportkorbes öffnet, haben uns das Tageslicht und die Realität wieder.  Nicht die schlechteste Idee für einen Ausflug in die Untertagewelt der Rhön: Das Erlebnisbergwerk Merkers. Infos und Kartenbestellung unter www.erlebnisbergwerk.de (ara)+++

X