WIELOCHS WIRRE WELT (40)
Die Möbelhaus-Affäre: Wer buhlt hier eigentlich um wen?
15.08.2014 / REGION -
Sommerloch in Fulda und Petersberg? Von wegen! Hier vermöbelt gerade jeder jeden. Die Möbelhäuser kämpfen um die Vormachtstellung in der Region, die Politik rangelt im Hintergrund um ein Gutachten, die Medien prügeln sich um Wahrheit und Moral und eine Anzeigenabteilung sorgt für Furore, weil sie mal eben auf 18.000 Euro verzichtet. Längst ist die Frage, ob und wie groß Sommerlad an der A7 in Petersberg bauen darf, zum Nebenschauplatz geworden. Im Mittelpunkt steht vielmehr, welchen Einfluss Medienhäuser und Verlage in dieser hitzigen Debatte haben.
Die Stiftung Warentest wollte es jetzt ganz genau wissen: Wie unabhängig, wie seriös, wie frei von Zwängen und wie glaubhaft agieren und reagieren Redaktionen und Anzeigenabteilungen? In einem umfangreichen Test faxten die Mitarbeiter der Stiftung Warentest unter falschem Namen eine simple Kontaktanzeige an die Anzeigenleiter von 50 deutschen Zeitungshäusern mit folgendem Wortlaut: „Romantischer Lebenskünstler (67/173), Aussehen und Status durchschnittlich, sucht sensible, wanderfreudige und esoterisch angehauchte Partnerin. Noch in diesem Sommer lad ich dich zum Picknick ein.“
In 49 Fällen erhielt die Stiftung Warentest prompt eine Auftragsbestätigung. Ohne Nachfrage. Ohne Einwände. Ohne Gespür für eine mögliche verbale Falle. Auch Osthessen-News patzte. Lediglich ein führendes Medienhaus reagierte kritisch: „Sehr geehrte Damen und Herren, aus grundsätzlichen Überlegungen lehnt der Verlag die Veröffentlichung der Kontaktanzeige in der bisherigen Form ab. Mit folgender textlicher Korrektur wären wir allerdings einverstanden: ,Romantischer Lebenskünstler (67/173), Aussehen und Status durchschnittlich, sucht sensible, wanderfreudige und esoterisch angehauchte Partnerin. Noch in diesem Sommer buhl ich um dich für ein gemeinsames Picknick.’“
Respekt, wenigstens ein Verlags-Mitarbeiter samt Redaktionsteam hat sich tiefgehende Gedanken gemacht. Die Formulierung „buhl ich“ klingt tatsächlich schöner, wertfreier und inhaltlich stärker als „im Sommer lad“. 49 von 50 Anzeigenabteilungen samt Redaktionen fielen hingegen kläglich auf die Wünsche des bezahlenden Kunden herein. Ein Skandal! Journalistische Einfaltspinsel eben! Der Presserat und die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft haben die Ermittlungen bereits aufgenommen.
Kleiner Tipp für alle Interessenten: Abonnenten einer Regionalzeitung bekommen in Verbindung mit dem Gutschein 20 Prozent Rabatt auf das gesamte Sortiment in einem ausgewählten Fuldaer Möbelhaus. Darauf wies der Verlag heute in einer doppelseitigen Panorama-Anzeige hin. (JOCHEN WIELOCH)