Kultusminister spricht Klartext

Wie steht es um die hessische Bildungspolitik? Schwarz: "Wir gehen 'all in'!"

Armin Schwarz, Hessens Minister für Kultus, Bildung und Chancen, war zu Besuch in unserer O|N-Redaktion.
Fotos: Carina Jirsch

17.11.2025 / FULDA - Ob Lehrkräftemangel, KI, Social Media oder die zunehmende psychische Belastung junger Menschen – die Herausforderungen an Schulen sind heutzutage ziemlich vielfältig. Rund 810.000 Schülerinnen und Schüler gehen im Jahr 2025/26 in Hessen zur Schule. Doch wie gut sind unsere Schulen darauf vorbereitet? Welche Kompetenzen werden morgen gebraucht? Und muss die hessische Bildungspolitik künftig neu ausgerichtet werden?



Wir leben in einer Zeit, die besonders junge Heranwachsende bewegt. Kriege, steigende Lebenshaltungskosten und Unsicherheiten in Bezug auf die eigene Zukunft belasten viele von uns. Welche Zukunftsperspektiven bieten Hessens Schulen? Im exklusiven OSTHESSEN|NEWS-Gespräch gibt Armin Schwarz, Hessischer Minister für Kultus, Bildung und Chancen (CDU) im Kabinett von Ministerpräsident Boris Rhein, Einblicke in aktuelle Entwicklungen und Maßnahmen. Aber lesen Sie selbst!

"Deutsch ist in jeder Unterrichtsstunde relevant"

Wertevermittlung, Deutsch als zentrale Grundlage und ein klarer Leistungsanspruch: diese drei Kernpunkte sollen weiterhin die hessische Bildungspolitik bilden. "In einer bewegten Zeit wie dieser geht es um gesellschaftlichen Zusammenhalt, um stabile Verhältnisse und Vermittlung von Werten der Demokratie", bringt es der Kultusminister auf den Punkt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Sprachförderung. In Hessen haben in der Grundschule rund 50 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund – mit einberechnet die Kinder aus den geflüchteten Familien. Für Schwarz ist deshalb von großer Relevanz, dass alle Schülerinnen und Schüler dem Unterricht von Anfang an folgen können. "Jede Unterrichtsstunde muss auch eine Deutschstunde sein", verdeutlicht er.

In diesem Sommer sind rund 59.500 Kinder eingeschult worden, etwa anderthalb Jahre vorher fand dafür die verpflichtende Schuluntersuchung auch mit einem Sprachtest statt. Dieser zeigte wie jedes Jahr, dass viele Kinder nicht ausreichend über sprachliche Fähigkeiten verfügten. Deshalb nahmen fast 19.000 Vorschulkinder ein Jahr lang an verpflichtenden Vorlaufkursen teil, um ihre Deutschkenntnisse rechtzeitig zu stärken, zu fördern und zu verbessern. "Damit sind wir Vorreiter in Hessen." In diesem Jahr bereiten sich rund 17.000 Kinder in Vorlaufkursen auf die Einschulung im nächsten Jahr vor. Es ist immer fast ein Drittel der Kinder.

"Leistung muss sich wieder lohnen"

Im Gespräch verweist Schwarz zudem auf positive Entwicklungen: Hessen verzeichnet mit 6,2 Prozent bundesweit neben Bayern den niedrigsten Anteil an Jugendlichen ohne Schulabschluss (Bundesdurchschnitt: 7,9 Prozent). "Mehr qualifizierte Abschlüsse und weniger Schulabbrüche stärken die Zukunftsperspektiven", ist sich der Minister sicher. Sein Leitmotiv fasst er mit den Worten zusammen: "Deutsch 'all in'."

Auch der Leistungsgedanke bleibt für ihn von zentraler Bedeutung. Ein Beispiel dafür sind unter anderem etwa die Bundesjugendspiele: Während 2023 bundesweit zwar eine spielerische Form für Grundschulen eingeführt wurde, hält Hessen weiter am Wettkampfmodus fest. "Leistung muss sich wieder lohnen", findet der Christdemokrat. Freude an Bewegung sei wichtig, doch der traditionelle Leistungsanspruch gehöre eben auch dazu.

Ausstattung und Digitalisierung

Im Politik-Interview wollten wir natürlich noch wissen: Wie sieht eigentlich das Klassenzimmer der Zukunft aus? Obwohl die Infrastruktur Aufgabe der Kommunen ist, verweist Schwarz auf Investitionen des Landes Hessen. So wurden bislang etwa 170.000 digitale Endgeräte für Schülerinnen und Schüler aus bedürftigeren Familien sowie alle Lehrkräfte im Land angeschafft. Ab 2026 tritt zudem der neue "DigitalPakt" in Kraft, mit dem Hessen auch über einen Bundesanteil weitere Mittel zur Verbesserung digitaler Ausstattung und Vernetzung einsetzen kann.

Lehrermangel, Quereinstieg und Engpässe

Der Lehrkräftemangel bleibt auch im Schuljahr 2025/26 in den meisten Bundesländern ein großes Problem - trotz der weiten Öffnung für den Quereinstieg. Hohe Bedarfe gebe es an Grundschulen, Gesamtschulen, berufsbildenden Schulen und Förderschulen. Die Gesamtzahl der Lehrkräfte sei mit 67.000 so hoch wie nie zuvor, wie der Bildungsminister im Gespräch betont. Um mögliche Engpässe auszugleichen, setzt Hessen daher auch auf Quereinsteiger und ermöglicht seit Mai 2024 den Einstieg in ein volles Referendariat auch mit dem Abschluss in nur einem Studienfach.

Respektvoller Umgang, demokratische Werte und Bedeutung der Grundrechte

Neben Leistung und Sprache rückt Schwarz auch weitere Zukunftsthemen in den Fokus: Schüler sollen besser auf gesellschaftliche Schwierigkeiten, Krisensituationen und sonstige Belastungen vorbereitet werden. Als Beispiel nannte er eine verpflichtende Werte- und Demokratieschulung in den Deutsch-Intensivklassen. Hintergrund: An den hessischen Schulen werden derzeit – bevor sie in die Regelklassen gehen – etwa 26.000 Kinder und Jugendliche aus zugewanderten und geflüchteten Familien unterrichtet, wobei rund 5.600 von ihnen aus der Ukraine stammen. "Es ist entscheidend, dass sich jeder intensiv mit respektvollem Umgang, demokratischen Werten und der Bedeutung unserer Grundrechte auseinandersetzt", fasst der Minister zusammen.

Weiter sollte natürlich ganz wichtig sein: Erste Hilfe und Sanitätsdienst. Bereits eingeführt wurde in Hessen verpflichtender Wiederbelebungsunterricht in der 7. Klasse – fast 400 Schulen nehmen aktuell daran teil. Auch die Berufsorientierung wurde durch Pflichtwochen gestärkt. Für die Zukunft wird zudem über ein weiteres Ausrollen des neuen Schulfachs im Regelunterricht nachgedacht: "Digitale Welt". Dabei werden Verständnisgrundlagen geschaffen, wie digitale Technologien zur Lösung von sozialen, ökologischen und ökonomischen Problemstellungen beitragen können.

Ein großes Thema bleibt außerdem der Umgang mit sozialen Medien und die psychische Gesundheit. "Das Medienverhalten hat sich seit Corona stark verändert. Wir müssen die Schüler vor Gefahren schützen. Dafür haben wir in Hessen die Smartphone-Schutzzonen als erstes Land flächendeckend eingeführt", sagt Schwarz abschließend. Aktuell arbeiten in Hessen rund 155 Schulpsychologen - so viele wie noch nie - da die Zahl psychischer Belastungen unter Jugendlichen weiter ansteigt. (Julia Schuchardt)+++

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